Internet der Dinge
29.05.2017
Internet of Things
1. Teil: „Neue Wachstums-Chancen für Unternehmen“

Neue Wachstums-Chancen für Unternehmen

WachstumWachstumWachstum
suphakit73 / Shutterstock
Immer mehr Unternehmen erkennen die Potenziale von IoT-Projekten. Die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette birgt dabei komplett neue Wachstums-Chancen.
  • In Wartestellung: Knapp zwei von drei Unternehmen in Deutschland sind beim IoT noch untätig beziehungsweise erst in der Evaluierungs- oder Planungsphase.
    Quelle:
    IDC, Oktober 2016, n = 379
Im Zuge von Industrie 4.0 schlägt das Internet of Things (IoT) mit der umfassenden Vernetzung physischer Objekte aller Art – von Fahrzeugen bis zu ganzen Industrie­anlagen – die Brücke zwischen analoger und digitaler Welt. Besonders die Kommunikation von Maschine zu Maschine (M2M) verspricht Unternehmen innovative und disruptive Geschäftsmodelle – und damit auch neue Wachstumsmöglichkeiten.
Das Internet of Things ist ein Katalysator für industrielle Innovationen: Die Vernetzung ermöglicht neue Dimensionen der Datenerfassung und eine nie dagewesene Transparenz über die komplette Wertschöpfungskette hinweg bis zum Kunden.
Dabei herrscht jedoch vielfach noch Unkenntnis darüber, was eigentlich der Unterschied zwischen dem Internet of Things und Industrie 4.0 ist. „IoT ist ein technologischer Sammelbegriff für Machine to Machine, Wearables, Heim­automatisierung und so weiter“, so Sascha Bäcker, Geschäftsführer der Duality Beratungsgesellschaft mbH. Industrie 4.0 sei hingegen ein Designkonzept, bei dem ein Teil der IoT-Technologien die relevante Basis bilden, zum Beispiel M2M. „Neben den Technologien spielen hier aber auch noch Prozessthemen und Geschäftsmodelle eine Rolle.“
Nach Ansicht von Bäcker erkennen in letzter Zeit immer mehr Unternehmen die sich durch das IoT ergebenden Potenziale. „Das Management übt deshalb vermehrt Druck aus, diese Themen aktiv in der eigenen Organisation zu treiben.“

Vorteile von IoT

Das Internet of Things kann Unternehmen viele Vorteile bringen. Laut Sascha Bäcker lassen sich bestehende Prozesse optimieren, zudem kann der Einsatz von IoT weitere Möglichkeiten eröffnen. So lassen sich durch die Daten, die dabei entstehen, Geschäftmodelle entwickeln, von denen man bislang kaum eine Idee hatte: „Maschinenbauer werden beispielsweise zu Plattformanbietern, die ihre Services gegen Bezahlung anbieten. Neue Service-Modelle können entsprechend entwickelt sowie die Kundennähe und das Verständnis von Kundenwünschen maximiert werden.“
  • Intelligente Aufzüge mit IoT-Technik: Die neuesten Lifts des schweizerischen Herstellers Schindler melden Ausfälle selbstständig an die Service-Zentrale.
    Quelle:
    Schindler
Der Markt hält dabei nach Ansicht von Bäcker bereits viele einsatzfähige IoT-Lösungen bereit. „Häufig merkt man, dass die Kunden noch nicht so weit sind wie die Technik.“ Es sei daher wichtig, die Mehrwerte verständlich zu positionieren, mit Kundenfokus zu agieren und die Umsetzung nicht aus den Augen zu verlieren.
Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz des Internets of Things ist der schweizerische Aufzugbauer Schindler: Die modernen Fahrstühle des Herstellers melden einen Ausfall sofort an die Service-Zentrale. So ist in vielen Fällen ein Techniker bereits unterwegs, bevor der Kunde den Ausfall seines Aufzugs überhaupt bemerkt hat.
Kernstück des intelligenten Lifts ist ein sogenannter digitaler Werkzeugkoffer basierend auf Apple iPhones und iPads, den Schindler bereits bei mehreren Zehntausend Service-Technikern weltweit im Einsatz hat. Hinzu kommt ein Ma­chine-to-Machine-System, das aus dem Aufzug heraus Statusinformationen an eine zentrale Connectivity-Management-Plattform sendet. Dazu liefern zahlreiche Sensoren an den Fahrstühlen etwa Schwingungs-, Geschwindigkeits- oder Temperaturdaten.
Trotz der offensichtlichen Vorzüge sind deutsche Unternehmen in Sachen Internet of Things noch vorsichtig. Laut einer Studie der Marktforscher von IDC vom Oktober vergangenen Jahres haben es knapp zwei von drei deutschen Unternehmen bislang nicht geschafft, wenigstens Pilotprojekte für das IoT zu entwickeln. Und das, obwohl 72 Prozent der befragten Firmen das Internet of Things für ihr Unternehmen als „sehr wichtig“ oder „extrem wichtig“ einordnen. „Unternehmen haben noch nicht ausreichend erkannt, dass sie durch IoT ihre digitale Transformation vorantreiben können“, fasst Laura Hopp, Consultant bei IDC, die Ergebnisse der Studie zusammen.
Noch mehr Zurückhaltung offenbaren die Ergebnisse einer Studie des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik, Prozesse und Systeme der Universität Potsdam: Demnach setzt sich mit 43,5 Prozent nicht einmal die Hälfte der deutschen Unternehmen aktiv mit dem Thema Internet of Things auseinander.
2. Teil: „Fehlende IoT-Standards“

Fehlende IoT-Standards

  • Anbieter von IoT-Plattformen: Experton kategorisiert in Deutschland nur sechs Anbieter als Spitzenreiter (Leader).
    Quelle:
    Experton Group „Industrie 4.0/IoT Vendor Benchmark 2017“
Vor allem fehlende IoT-Standards sind bislang häufig ein Hindernis. Laut der weltweiten Studie „Security and the IoT Ecosystem“ der Berater und Wirtschaftsprüfer von KPMG waren für fast ein Drittel der Unternehmen, die das Internet der Dinge bereits nutzen, bei dessen Einführung fehlende Standards und Regeln eine Hürde.
Sascha Bäcker von Duality sieht in den fehlenden Standards für das Internet der Dinge jedoch kein wirkliches Hindernis. Die Technologien sind seiner Ansicht nach nicht entscheidend. Das seien meistens nur vorgeschobene Argumente, um nicht aktiv zu werden. „Erst muss die Entscheidung getroffen werden loszulegen, dann spielen konkrete Technologien eine Rolle, um zu validieren, wie das gewünschte Ergebnis bestmöglich umgesetzt werden kann.“ Qualifizierte Anbieter für IoT-Lösungen gibt es seiner Ansicht nach genügend auf dem Markt. „Langfristig werden sich die besten durchsetzen.“

IoT und Sicherheit

Viele Unternehmen fürchten mit der steigenden Vernetzung ihrer Maschinen und Produktionsanlagen auch größere Sicherheitsrisiken. Die zunehmende Verarbeitung von Sensordaten und anderen per Internet of Things gewonnenen Daten „at the Edge“, also auf dem IoT-Gerät selbst beziehungsweise in der Nähe des Entstehungsorts der Daten, macht die vielen smarten Geräte für Kriminelle natürlich auch äußerst attraktiv. Nicht selten herrscht zudem die Sorge, dass zum Beispiel die Produktion durch Cyberangriffe lahmgelegt werden könnte.
Laut KPMG sind 93 Prozent der weltweiten Unternehmen, die das Internet der Dinge bereits nutzen, bezüglich des Themas Sicherheit besorgt.
Auch hier sieht Sascha Bäcker von Duality das Problem jedoch nicht bei der Technologie: „Häufig wird mit Blauäugigkeit agiert. Es mangelt dabei zum Beispiel an Wissen, welche Risiken entstehen können, wenn Geräte miteinander vernetzt werden.“ An dieser Stelle sei es wichtig, Experten mit ins Boot zu holen, die in der Lage sind, solche Szenarien einzuschätzen und eine Risikobewertung abzugeben.

Potenziale von IoT nutzen

Trotz aller Bedenken in Hinblick auf starke Veränderungen und Sicherheitsrisiken – eines haben fast alle Unternehmen gemeinsam: Niemand will beim wichtigen Thema der digitalen Transformation den Anschluss verlieren.
Doch wie können Unternehmen das Internet of Things in ihrem Betrieb einführen und dessen Vorteile gewinnbringend nutzen? Den Marktanalysten von IDC zufolge durchlaufen Unternehmen bei der Umsetzung einer IoT-Strategie in der Regel vier Stufen:
Im ersten Schritt werden Assets oder Produkte vernetzt. Die dadurch entstehenden Informationen liefern die Grundlage für den zweiten Schritt: das Monitoring, also das Messen, Beobachten und Überwachen der im ersten Schritt vernetzten Objekte.
In der folgenden dritten Stufe nutzen Unternehmen die zuvor gewonnenen Daten und Informationen, um Abläufe und Verfahren im Betrieb zu optimieren. In Stufe vier schließlich gibt es neue Produkte, Angebote und Dienstleistungen für die Kunden.
Nach Ansicht der IDC-Analysten finden sich derzeit in Deutschland branchenübergreifend hauptsächlich Anwendungsfälle, die allein auf einer Vernetzung der Objekte beruhen. Die meisten Unternehmen, die bereits auf das Internet of Things setzen, sind also noch in der ersten Phase.

Plattformen für das IoT

Besonders wichtig ist die Wahl einer geeigneten und zukunftssicheren IoT-Plattform. Deren Funktion ist neben der Verwaltung der Sensoren und smarten Geräte auch die Verwaltung der laufenden Anwendungen und der Konnektivität zwischen den Geräten, die Verarbeitung und Analyse der gewonnenen Daten sowie das Monitoring.
Bei der Wahl der passenden Plattform sollten Unternehmen nicht nur den Funktionsumfang genau beleuchten, sondern auch das langfristige Konzept des Anbieters in die Entscheidung miteinbeziehen.
Die Analysten von IDC prognostizieren für die kommenden Jahre bei den IoT-Plattformen eine Marktbereinigung. Auf lange Sicht werden laut IDC lediglich fünf oder sechs Plattformen den Markt dominieren. Ähnlich schätzen das die Branchenkenner der Experton Group ein: Im aktuellen „Indus­trie 4.0/IoT Vendor Benchmark 2017“ sehen sie in Deutschland nur sechs IoT-Plattformen als „Leader“.
3. Teil: „IoT-Einführung im Unternehmen“

IoT-Einführung im Unternehmen

Wie also geht ein Unternehmen bei der Einführung eines IoT-Projekts am besten vor? Und worauf kommt es konkret an, um in das Thema einzusteigen?
Sascha Bäcker zufolge sollten in erster Linie die richtigen Stakeholder an einem Tisch zusammenkommen – diejenigen Mitarbeiter, die von den Veränderungen bei der Einführung eines IoT-Projekts aktuell und in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind. „Um IoT-Projekte erfolgreich umzusetzen, muss fachübergreifend zusammengearbeitet werden, damit alle an einem Strang ziehen. Darüber hinaus sollte agiles Projektmanagement betrieben werden, um flexibel agieren zu können und den Nutzen und die Ziele klar zu formu­lieren.“
Gerade für mittelständische Unternehmen ist die Einführung des Internets of Things eine Herausforderung. Hier ist es sinnvoll, auf externe Hilfe etwa durch ein Systemhaus zurückzugreifen. „IoT-Projekte sind oftmals etwas Neues und Kundenspezifisches, da sie Kernprozesse oder neue Geschäftsmodelle betreffen. Man braucht einen Partner, der die geforderte Agilität für die Lösungsentwicklung aufweist. Er sollte flexibel sein, Beratungskompetenz haben, das nötige IT-Know-how mitbringen, betriebswirtschaftlich denken und selbst erste Ergebnisse liefern können.“

Tipps für die IoT-Einführung

Die Experten des Beratungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC) haben die Kardinalfehler bei der Einführung des Internets of Things zusammengestellt, die unbedingt vermieden werden sollten:
Neuen Geschäftsbereich nicht verknüpfen: Viele Unternehmen richten für die Digitalisierung oder ein IoT-Projekt eine eigene Business Unit ein oder schaffen die Stelle eines Chief Digital Officers (CDO). Das ist laut den Experten von PAC noch kein Fehler. Allerdings wird vielfach nicht daran gedacht, dass die neue Abteilung oder der CDO auch mit dem Rest des Unternehmens verknüpft werden muss.
Zu viel erwarten: Es gibt keinen Anbieter von IoT-Lösungen, der alle Anforderungen eines Unternehmens auf einmal auch nur annähernd adäquat abdeckt. Daher gilt es, zunächst den zur eigenen Geschäftsstrategie passenden Partner zu wählen und anschließend selektiv zu ergänzen. Schnelligkeit darf an dieser Stelle durchaus vor Vollständigkeit gehen.
Veränderungen ablehnen: Es gibt viele Unternehmen, die zu sehr an ihren derzeitigen Geschäftsmodellen festhalten, weil sie davon ausgehen, dass ihr Business auch künftig so funktioniert. Laut PAC ist es entscheidend, dass Unternehmen aus ihrer Komfortzone kommen und offen sind für Veränderungen – auch wenn es momentan eigentlich gut läuft.
Eine Lösung für die Ewigkeit wollen: Der Wandel braucht disruptive Veränderungen, so die Berater von PAC. Das bedeutet, dass Unternehmen anfangen müssen, in kürzeren Zeitspannen zu planen. Bislang übliche Abschreibungszyklen von bis zu 15 Jahren seien längst überholt. Unternehmen sollten daher in digital geprägten Zeiten mit Zeitspannen von drei bis fünf Jahren planen.
Zu „deutsch“ denken: Der deutsche Ingenieursansatz ist im Bereich des Internets of Things fehl am Platz. Langwierige Auswahlprozesse, Lasten- und Pflichtenhefte – bis das alles abgearbeitet ist, hat sich die ursprüngliche Aufgabenstellung möglicherweise schon längst weiterentwickelt. Auch der Auswahlprozess für eine IoT-Lösung muss agil und dynamisch sein.
Zu demokratisch: Gerade der häufig inhabergeführte Mittelstand ist bekannt für kurze Entscheidungswege und flache Hie­rarchien. Doch bei der Einführung von digitalen Strategien und neuen Geschäftsmodellen kann zu viel Demokratie im Unternehmen auch hinderlich sein. Wenn zu viele Abteilungen wie Vertrieb, Entwicklung und Produktion mitreden, dann dürfte sich oft kein Konsens finden lassen. Bei der Digitalisierung gibt es laut PAC in der Regel keine demokratische Lösung. Vielmehr seien hier seitens der Unternehmensleitung Schnelligkeit, Agilität und der Mut zur Veränderung gefragt.
Security als unüberwindbare Hürde ansehen: Für ihre Zurückhaltung sind deutsche Unternehmen bekannt. Doch zu viele Bedenken können auch lähmen. Datenschutz und Datensicherheit zählen selbstverständlich zu den größten He­rausforderungen beim digitalen Wandel. Wenn man aber bei der IoT-Einführung von Anfang an einen Sicherheitsexperten mit einbindet, dann scheitert das IoT-Projekt auch nicht an Sicherheitsbedenken.
Nur das eigene Geschäft betrachten: Die digitale Transformation bietet viele Möglichkeiten, um die eigenen Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Dabei sollte man jedoch nicht nur seine Mitbewerber im Auge behalten, sondern auch andere Branchen. Vielleicht ergeben sich  Schnittmengen, über die sich neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Eine verengte Branchensicht führe, so PAC, niemals zu disruptiven Veränderungen.

Fazit

Im Internet of Things schlummern riesige Potenziale – und über kurz oder lang wird kaum ein Unternehmen um dieses Thema und die umfassende Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette herumkommen.
Die Erfahrung von Duality-Mann Sascha Bäcker ist jedoch, dass der deutsche Mittelstand noch allzu vorsichtig ist. „Fest steht jedenfalls, dass er eine ungeheure Innovationskraft besitzt. Deswegen ist auch kaum vorhersehbar, was wir an künftigen Innovationen sehen werden. Man kann auf jeden Fall sagen, dass die Interaktion von Mensch und Maschine zunehmend verschmelzen wird.“ Der Umgang mit Maschinen wird seiner Meinung nach intuitiver und menschlicher werden.

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