Cloud
01.12.2017
Systemhäuser im Wandel
1. Teil: „Vom Kistenschieber zum Cloud-Service-Provider“

Vom Kistenschieber zum Cloud-Service-Provider

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pogonici / shutterstock.com
Der Umsatz mit Public-Cloud-Diensten wächst kontinuierlich an. Nicht nur große Unternehmen, sondern auch KMUs, setzen zunehmend auf die Daten-Wolke.
Die Cloud wird Mainstream. IDC geht davon aus, dass der Umsatz mit Public-Cloud-Diensten in Deutschland bis 2019 pro Jahr durchschnittlich um 27 Prozent zulegen wird. Somit wächst der Public-Cloud-Markt rund zehnmal schneller als der deutsche IT-Gesamtmarkt für Hardware, Software und IT-Services. Der Schwerpunkt der Investitionen wird weiterhin auf Applikationen liegen, also auf Software as a Service. Laut IDC werden sich die Investitionen in alle Cloud-Varianten und die dazugehörigen Technologien bis 2019 verdoppeln. Rund zwei Drittel aller Firmen werden in zwei Jahren Cloud-Computing umfassend einsetzen, auch der Mittelstand und kleinere Unternehmen.
  • Prognose: Der Umsatz mit Public-Cloud-Services in Deutschland erreicht 2019 ein Volumen von 6,7 Mi8lliarden Euro. Das jährliche Wachstum soll 27 Prozent betragen.
    Quelle:
    IDC
Der Trend geht dabei zur Multi-Cloud, das heißt zum Einsatz verschiedener Cloud-Anbieter und verschiedener Cloud-Betriebsmodelle. Das ergibt sich aus einer aktuellen Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC) zur Cloud-Nutzung in deutschen mittelständischen Unternehmen. Grundsätzlich setzen fast drei Viertel (72 Prozent) der befragten Firmen auf die Cloud, 60 Prozent auf die Multi-Cloud. Michael Sailer, Analyst Cloud & IoT Digital Enterprise bei PAC, erklärt: „Unsere Studie zeigt, dass deutsche Firmen zunehmend ver­schiedene Cloud-Betriebsmodelle von verschiedenen Cloud-Anbietern beziehen. Diese Cloud-Vielfalt sicher zu planen, zu designen, zu administrieren und zu betreiben, stellt jedoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die IT-Abteilung dar. Wer hier nicht über das erforderliche Cloud-Know-how verfügt, ist gut beraten, sich an einen externen Partner und Anbieter vieler Cloud-Arten zu wenden.“
Diese Situation stellt eine große Chance für die Systemhäuser dar. Denn der PAC-Studie zufolge gab fast die Hälfte der befragten Firmen an, dass ein Systemintegrator für sie der bevorzugte Managementpartner für die Multi-Cloud sei. Für die IT-Dienstleister heißt das: Sie müssen ihr Portfolio anpassen, um auf die neuen Anforderungen ihrer Kunden reagieren zu können.
2. Teil: „Chance und Pflicht“

Chance und Pflicht

Viele IT-Systemhäuser und Systemintegratoren stehen unter starkem Wettbewerbsdruck. „Sie kämpfen mit sinkender Nachfrage im Kerngeschäft, müssen einen Umsatzrückgang in Kauf nehmen und können sich gerade noch so über Wasser halten. Ursachen dieser Systemhaus-Krise sind meist mangelndes Cloud-Know-how, der klassische Achtstunden-Arbeitstag des Supports von 9 bis 17 Uhr sowie Tätigkeiten mit Projektcharakter, sprich einem definierten Anfangs- und Endzeitpunkt“, erklärt Anna-Lena Schwalm, Junior Analystin bei Crisp Research und Co-Autorin des Strategiepapiers „Systemhaus 4.0: Systemhäuser und Systemintegratoren im digitalen Wandel“.
Sie rät den Systemhäusern daher, ihr „altes“ Kerngeschäft, den Verkauf und die Implementierung von Systeminfrastrukturen und Software-Lösungen, um den Aufbau, Betrieb und das Management von Cloud-Infrastrukturen zu erweitern. „Die Voraussetzungen sind gut. Denn IT-Systemhäuser sind in der Regel nicht nur geografisch eng am Kunden dran, sondern stehen insbesondere beim Mittelstand als Ansprechpartner mit IT-Know-how hoch im Kurs. Auch der Zugang zu IT- und Technologie- sowie zu vielen Cloud-Anbietern ist bereits vorhanden und lässt sich vergleichsweise einfach auf ein neues Partnerschaftsniveau heben“, so Schwalm weiter.
Auch PAC-Analyst Michael Sailer rät insbesondere den kleinen und mittelgroßen Systemhäusern, „schon heute damit zu beginnen, ihr Cloud-Know-how schrittweise aufzubauen und sich als Cloud-Service-Provider zu positionieren. So geraten sie nicht in Zugzwang, wenn die Nachfrage auf Kundenseite merklich anziehen wird.“ Denn momentan sei der Druck auf Systemhäuser mit Kunden aus kleineren bis mittleren Unternehmen noch nicht groß genug, um tatsächlich ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen, so
Sailer. „Dies wird sich langfristig aber ändern, denn wir können davon ausgehen, dass das Thema Cloud auch für deren Kunden relevant wird. Ein schrittweiser Umstieg des Umsatz- und Geschäftsmodells ist empfehlenswert, da anfängliche Umsatzeinbußen durch On-Premise-Einnahmen aufgefangen werden können.“
Veränderungen durch die Cloud
Die Unterschiede zwischen klassischen Systemhäusern und Systemhäusern als Cloud-Provider sind enorm.
3. Teil: „Neue Geschäftsmodelle und Skills “

Neue Geschäftsmodelle und Skills

  • Cloud treibt Wachstum: Deutsche Microsoft-Partner mit mehr als 50 Prozent Cloud-Umsatz weisen eine deutlich bessere Geschäfts-Entwicklung auf als die weniger cloud-affinen Mitbewerber.
    Quelle:
    Microsoft Cloud Survey 2016
Wenn Systemhäuser damit beginnen, Cloud-Lösungen zu vermarkten, dann ändern sich Vertriebsmodell und Umsatzstruktur. An die Stelle eines projekt- und transaktionsorientierten Geschäftsmodells mit Kauf und Einmalzahlung (On-Premise) tritt in der Cloud ein fortlaufendes Umsatzmodell im Abonnement mit durchgehendem Servicevertrag und Abrechnung in zeitlich festgelegten Intervallen (Subskription). „Die Systemhäuser müssen hier zunächst mit Umsatzeinbußen rechnen und in ihre Transformation investieren. Auf lange Sicht werden sie aber von diesem neuen Vergütungsmodell profitieren“, erklärt PAC-Mann Michael Sailer.
Doch nicht nur der Wandel des Geschäftsmodells bereitet den Systemhäusern Kopfzerbrechen. Der Einstieg in das Cloud-Business erfordert zudem eine Weiterbildung der Mitarbeiter beziehungsweise die Anwerbung von Cloud-Experten. Die Systemhäuser sind als Cloud-Service-Provider viel mehr als bislang als Berater gefragt, da sie ihren Kunden maßgeschneiderte und flexible Lösungen für deren Probleme anbieten und komplexere IT-Projekte meistern müssen.
Daher sind in den Systemhäusern neue Skills notwendig. Der Vertrieb beispielsweise muss das neue Geschäftsmodell in der Cloud verstehen und für die Bedeutung des Datenschutzes sensibilisiert werden. Größer wird die Herausforderung auf technischer Seite; Spezialisten im Managed-Cloud-Umfeld sind rar und schwer zu finden. Das gilt vor allem für Cloud-Architekten. „Sie vereinen technisches Know-how um Software- und System-Migration, orchestrieren Hybrid-Cloud-Anwendungsszenarien und steuern das Sourcing von IaaS-, SaaS- und PaaS-Providern“, erläutert Anna-Lena Schwalm von Crisp Research. „Damit leisten Systemhäuser einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung, der vielen Unternehmen bis zu 30 Prozent höhere Tagessätze wert ist.“ Weiterhin gefragt seien Entwickler und DevOps-Engineers mit Kompetenzen auf drei Gebieten: Sie müssen Bescheid wissen über agile Entwicklungsmethoden wie Scrum, über die Skalierbarkeit und Automatisierung von Anwendungen und über Plattformen und APIs.
4. Teil: „Augen auf bei der Partnerwahl “

Augen auf bei der Partnerwahl

Ein weiteres wichtiges, wenn nicht das zentrale Puzzleteil auf dem Weg vom Systemhaus zum Managed-(Public)-Cloud-Provider ist die Wahl des richtigen Cloud-Partners. Die Anzahl der Public-Cloud-Provider für IaaS (Infrastructure as a Service) oder PaaS (Platform as a Service) ist hoch. Sie reicht von den großen globalen Anbietern wie Amazon, Google oder Microsoft bis hin zu deutschen Providern wie T-Systems oder Profitbricks, die das komplette Cloud-Angebot bereitstellen. Auch bei den SaaS-Lösungen gibt es eine Vielzahl von Anbietern für Prozesse wie CRM, ERP oder Personalmanagement (HR). Bekannte Business-Applikationen aus der Cloud kommen beispielsweise von SAP, Salesforce oder Citrix.
„Systemhäuser sollten strategisch idealerweise auf mehrere Cloud-Provider setzen, um ihren Kunden je nach Anforderung den passenden Mix bieten zu können“, rät Michael
Sailer von Pierre Audoin Consultants. Doch Vorsicht: Je größer die Anzahl der Partnerschaften, desto mehr Personal, Skills und Ressourcen benötigt ein Systemhaus.
Worauf sollen Systemhäuser bei der Auswahl eines Cloud-Partners nun achten? Michael Sailer nennt unter anderen Kriterien wie einen Mittelstands-Fokus, wenn das Systemhaus vor allem mittelständische Kunden unterstützt, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, eine enge Zusammenarbeit bei der Erstellung der Roadmap und der Umsetzungsstrategie sowie End-to-End-Sicherheit und Datenschutz nach deutschem und europäischem Recht, künftig auch im Rahmen der EU-Datenschutz-Grundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft tritt. Mittlerweile haben fast alle bedeutenden Cloud-Anbieter reagiert und betreiben hierzulande Rechenzentren beziehungsweise arbeiten wie Microsoft mit Treuhändern zusammen, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Crisp-Research-Analystin Anna-Lena Schwalm ergänzt weitere Auswahlkriterien wie Unterstützung in Marketing und Vertrieb sowie eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit transparenten Verträgen und fairen Provisionsregelungen und weist auf notwendige Investments hin: „Wie viel muss das Systemhaus in Trainings oder Zertifizierungen vorab investieren, um mit dem Cloud-Business starten zu können? Wie sind die Anforderungen an Systemintegratoren, um eine Partnerzertifizierung oder einen höheren Partnerstatus zu erhalten?“, so Schwalm.
Kriterien für Cloud-Partner
Bei der Suche nach einem passenden Cloud-Provider sollten Systemhäuser auf folgende Punkte achten:
  • Partnerschaft auf Augenhöhe: transparente Verträge, faire Provisionsregeln, Mittelstandsfokus
  • Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Marge sollte möglichst hoch sein
  • Enge Zusammenarbeit bei Roadmap und Umsetzungsstrategie
  • Zusätzliche Angebote, die Mehrwerte für die Kunden schaffen
  • Compliance: Datenschutz nach deutschem und europä­ischem Recht
  • Einstiegshürden: Investitionen, Aufwand für Zertifizierung, Notwendigkeit eines unkomplizierten Zugangs zur Public Cloud über APIs und einer einfachen Oberfläche
  • Unterstützung bei Marketing und Vertrieb sowie in konkreten Kundensituationen durch Solution-Engineers  oder Cloud-Architekten
5. Teil: „Status quo und Beispiele“

Status quo und Beispiele

Interessant ist ein Blick auf die aktuelle Situation. Wie weit sind die deutschen Systemhäuser bei ihrer Transformation? Inwieweit stehen sie erst am Anfang, inwieweit sind sie bereits zum Managed-Public-Cloud-Provider geworden?
Das Bild ist vielfältig. Die befragten Experten sind sich einig, dass die kleinen und mittleren Systemhäuser hier noch großen Nachholbedarf haben, während die Größen der Branche wie Atos, Bechtle, Computacenter oder Cancom (Pironet) die Transformation zum Cloud-Service-Provider im Prinzip bereits vollzogen haben.
All for One Steeb: Die All for One Steeb AG ist mit der größten betreuten Mittelstandskunden-Basis die Nummer eins im deutschsprachigen SAP-Markt. Das Systemhaus konzentriert sich auf Schlüsselbranchen wie Maschinen- und Anlagenbauer, Automobilzulieferer und die Konsumgüterindustrie. „Im Kern steht All for One Steeb für ERP. Unser Lösungsportfolio umfasst das Digital Framework von SAP, das wir mit Hunderten von selbst entwickelten Geschäftsprozesslösungen speziell für unsere Kunden ergänzt haben. Cloud-Services sind ein stark wachsendes Kernelement unseres Komplett­angebots“, so Lars Landwehrkamp, Vorstandssprecher von All for One Steeb.
Als Partner für IT und Business deckt All for One Steeb die gesamte IT-Wertschöpfungskette ab, angefangen bei den Geschäftsprozessen über die Applikationslandschaft bis hin zum IT-Betrieb. Das Unternehmen betreibt selbst keine eigenen Rechenzentren, sondern rückt in seinen „Co-Location-Datacenters“ eng an die großen Public-Cloud-Provider he­ran. „Wir investieren stark in die Connectivity zu Amazon Web Services und Microsoft Azure. Unsere Kunden erhalten damit ein Höchstmaß an Skalierbarkeit und Flexibilität für ihre Cloud-Services, für die wir so on demand Compute-Power zu- und abbuchen können“, betont Lars Landwehrkamp. Das Cloud-Portfolio für die Zusammenarbeit am digitalen Arbeitsplatz basiert vor allem auf Microsoft SharePoint, Exchange, Skype für Business sowie Office 365. Für die Zukunft setzt All for One Steeb vor allem auf IoT- und Big-Data-Szenarien zur intelligenten Analyse von Daten. „Hier kommen Plattformen wie die SAP Cloud Platform oder Microsoft Azure ins Spiel und gleichzeitig unsere erweiterte Rolle. So wollen wir zukünftig verstärkt auch eigene Lösungen anbieten und schlanke ERP-Systeme in der Cloud mit Smart Data – generiert aus Big Data – versorgen. Für solche Szenarien rechnen wir uns bei unseren Kunden große Zusatzchancen aus.“
Bechtle: Das Systemhaus hat ein Cloud-Portal gestartet, das das bestehende Private-Cloud-Portfolio des Systemhauses mit Public-Cloud-Services von Anbietern wie Microsoft verknüpft. Damit positioniert sich Bechtle als Multi-Cloud-Provider. Das Portal ermöglicht die einheitliche Bereitstellung, Verwaltung und Abrechnung unterschiedlicher Cloud-Services aus einer Hand. „Mit Bechtle Clouds muss sich der Kunde weder um komplizierte Backend-Prozesse oder die Service-Konfiguration noch um das Managen verschiedener Partner und Verträge kümmern, sondern hat alles auf einer Plattform konsolidiert“, sagt Bernd Krakau, Geschäftsführer Bechtle Clouds GmbH.
Cancom (Pironet): Das Unternehmen bietet seit 2016 über seinen Business Cloud Marketplace Software, Platform und Infrastructure as a Service aus der Public Cloud an, darunter auch Dienste von Partnern wie Microsoft oder Amazon. Seit Oktober 2017 gibt es ein spezielles Reseller-Modell, über das Wiederverkäufer diese Public-Cloud-Dienste ihren Endkunden selbst anbieten können.
Dieser Service ist für Systemhäuser sehr interessant. Sie erhalten eine eigene Landingpage zu den Cloud-Services, können mit ihren Kunden eigenverantwortlich abrechnen sowie eigene Services über den Marketplace platzieren. Große IT-Systemhäuser und Franchise-Unternehmen können eine vollständige Marketplace-Plattform als dedizierte Lösung nutzen und unter eigenem Label vermarkten.
Computacenter: Das Systemhaus positioniert sich als Berater der IT-Bereiche für den Aufbau und das Management einer agilen IT auf der Basis von Cloud-Services. Computacenter selbst ist kein Anbieter von Public-Cloud-Services, hat aber etliche Lösungen und Leistungen rund um die Cloud im Portfolio. Dazu zählen Hybrid-Cloud-Services mit einem übergreifenden Beratungsmodell, Architektur, Design und Umsetzung von hybriden Cloud-Umgebungen wie Azure und AWS und Managed-Cloud-Services mit Betriebsleistungen für Private Cloud und Hybrid Cloud. Auch fungiert das Systemhaus als Reseller für Services von AWS, Microsoft und ServiceNow.
Computacenter sieht nach eigenen Angaben das Management von Multi-Cloud-Umgebungen als das zentrale Thema für Kunden, und zwar kaufmännisch und technologisch. Man werde weiterhin als Berater seine Dienstleistungen ausbauen und Kunden bei Multi-Cloud-Umgebungen un­terstützen.
Cloud-Dienste von Systemhäusern
Systemhäuser, die ihr Geschäft um Cloud-Lösungen erweitert haben, bieten ihren Kunden folgende Services an:
  • Planung und Design der (Multi-)Cloud-Architektur
  • Migration der Anwendungen und Systeme
  • Entwicklung und Implementierung neuer Applikationen und Systeme
  • Betrieb und Monitoring der Infrastruktur-Umgebung
  • Permanente Optimierung der IT-Umgebung, Anwendungen und Systeme
  • Schulungen und Workshops rund um die Digitalisierung wie agile Methoden oder DevOps
  • Hilfe bei der Auswahl von Technologien
  • Beratung zu Themen rund um Datenschutz, IT-Security und Compliance
6. Teil: „Systemhäuser mit Cloud-Kompetenz haben die Nase vorn “

Systemhäuser mit Cloud-Kompetenz haben die Nase vorn

Lynn-Kristin Thorenz, Associate Vice President Research & Consulting Germany & Switzerland bei IDC, erklärt im Interview, warum Systemhäuser, die früh in die Cloud investiert haben, schneller wachsen – und wie sie sich vom Wettbewerb differenzieren.
com! professional: Frau Thorenz, für Systemhäuser bietet der Vertrieb von Cloud-Lösungen einen Weg, um neue Umsätze zu generieren. Doch der Einstieg in die Rolle als Service-Provider fällt vielen schwer. Warum?
  • Associate Vice President Research & Consulting Germany & Switzerland bei IDC
    Quelle:
    IDC
Lynn-Kristin Thorenz:
Systemhäuser hatten in den letzten Jahren volle Auftragsbücher. Der Druck, sich verändern zu müssen, war daher noch nicht so groß. Das ändert sich aber gerade beziehungsweise hat sich bereits geändert. On-Premise ist kein Wachstumsmarkt mehr. Reine Boxenschieber, also Systemhäuser, die auf den Verkauf und die Implementierung von Hardware und Software setzen, werden langfristig Probleme bekommen.
com! professional: Welchen Kurs müssen sie einschlagen?
Thorenz: Sie sollten ihr Geschäftsmodell ändern beziehungsweise erweitern und auf die Cloud setzen. Der IT-Markt wächst in den Bereichen Cloud, IoT und Mobility jährlich zweistellig bis zu 20 Prozent, der sonstige IT-Markt mit dem klassischen Kerngeschäft der Systemhäuser je nach Segment 2 bis 3 Prozent,
einige Märkte schrumpfen auch bereits massiv. In all diesen Wachstumsfeldern ist die Cloud als Sourcing-
Modell notwendig. Zudem stehen die nächsten Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Next Gen Security oder Robo­tics, die auf Cloud-Services basieren, bereits vor der Tür.
com! professional: Das klingt plausibel. Doch ein Geschäfts­modell lässt sich nicht einfach von heute auf morgen komplett verändern.
Thorenz: Natürlich ist ein neues Geschäftsmodell mit einer Lern- und Investitionsphase verbunden. Es geht hier um nichts anderes als die digitale Transformation der Systemhäuser.
Das ist ein „klassisches“ Change-Projekt mit mehreren Dimen­sionen.
com! professional: Welche Herausforderungen oder Dimensionen müssen die Systemhäuser meistern?
Thorenz: Ein neues Geschäftsmodell ist ja auch mit einem kulturellen Wandel verbunden. Die Geschäftsführung muss daher eine Strategie und Vision entwickeln, die Mitarbeiter mitnehmen und Vorbild für Kunden und Mitarbeiter sein.
Natürlich sollte das Systemhaus auch selbst auf die Cloud setzen, um die Kunden von der Cloud zu überzeugen. Dann geht es darum, die Cloud-Skills ins Unternehmen zu holen, die Mitarbeiter etwa zum neuen Vertriebsmodell zu schulen und die interne IT auf Cloud-Technologien, agile Entwicklung und DevOps umzustellen.
com! professional: Inwieweit lohnt sich der hohe Aufwand?
Thorenz: Die Transformation lohnt sich auf jeden Fall. Wir
stellen bereits jetzt fest, dass Partner beziehungsweise Systemhäuser, die früh in die Cloud investiert haben, die Nase vorn haben. Sie wachsen doppelt so schnell wie ihre Mitbewerber und arbeiten profitabler mit höheren Gewinnmargen. Je früher die Systemhäuser auf den Cloud-Zug aufspringen, desto besser. Sie dürfen hier die Lern- und Investitionsphase nicht vergessen. Vor allem die großen Systemhäuser haben einen Vorsprung. Wir werden in den nächsten drei bis fünf Jahren einen Umbruch in der deutschen Systemhaus-Landschaft erleben, denke ich.
Die Kunden treiben den Markt. 65 Prozent der Firmen sind offen für einen Partnerwechsel, wenn ihr bisheriges Systemhaus kein Cloud-Spezialist ist, sie aber Cloud-Expertise benötigen. Die Cloud stellt damit auch langfristige Lieferantenbeziehungen infrage. Das sollte jeden in der Branche wachrütteln, bietet aber auch neue Chancen.
com! professional: Wenn sich das Gros der Systemhäuser zum Cloud-Provider gewandelt hat – wie können sie sich von ihren Mitbewerbern differenzieren?
Thorenz: Ganz klar durch Spezialisierung. Das kann der Fokus auf eine spezielle Branche sein, die Konzentration auf bestimmte Funktionen und Prozesse etwa in Marketing, HR oder Vertrieb, die in allen Branchen gelten, oder auch die Spezialisierung auf eine Cloud-Ausprägung wie IaaS, SaaS, PaaS, Storage as a Service oder Security as a Service. Oder Systemhäuser entwickeln eine eigene Software auf Cloud-Basis. Wir stellen auch fest, dass Firmen, die sich spezialisiert haben, kaum im Wettbewerb stehen, sondern eher ein Alleinstellungsmerkmal haben. Dadurch sind höhere Margen möglich.

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