Digitalisierung
06.10.2018
Im Gespräch mit UBS-Managerin Veronica Lange
1. Teil: „KI wird Banken verändern“

KI wird Banken verändern

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Sergey Nivens / Shutterstock.com
Veronica Lange von der Schweizer Großbank UBS spricht mit com! professional über Projekte mit der Blockchain, mit KI und mit Fintech-Start-ups.
  • Veronica Lange, Head of Innovation UBS
    Quelle:
    UBS
Als Head of Innovation treibt Veronica Lange bei UBS Dutzende Digitalisierungsprojekte voran. Alle aktuellen Hype-Technologien testen sie und ihr Team auf die Anwendbarkeit im Finanzgeschäft – global und auch in der Schweiz. Dafür steuert sie mehrere Innovationsinitiativen, beispielsweise den „Future of Finance Challenge“. In vier internationalen Finanzmetropolen forscht die Großbank nach innovativen Start-ups.
Anlässlich der diesjährigen Finals gewährt Lange im Interview mit com! professional einige Einblicke in den Innovationsprozess der UBS und spricht auch über neue sowie zukünftige Bankprodukte.
com! professional: Sind die Digitalisierungsprojekte von Banken eher Kosmetik oder eine echte Operation?
Veronica Lange: Der Finanzdienstleistungssektor ist eine der am höchsten von Technologie durchdrungenen Branchen. Nur in der ICT-Sparte ist Technologie noch mehr präsent. Die UBS ist schon seit Jahren von Technologie geprägt und beschäftigt Tausende Mitarbeiter in der Informatik. Daher ist die Bank auch zum Teil ein Technologie-Unternehmen, das sich ständig weiterentwickelt.
Wir unterscheiden generell zwischen der evolutionären Innovation, der transformationalen Innovation und der disruptiven Innovation. Alle evolutionären Projekte sind mit digitaler Technologie verbunden, die in bereits bestehenden Märkten und bei schon bestehenden Produkten eingeführt werden. Bei der digitalen Transformation geht es beispielsweise um die Anwendung Künstlicher Intelligenz im Banking oder das Öffnen neuer Kundenkanäle wie bei der Einführung des Mobile Banking. Disruptive Projekte werden auch gemeinsam mit den Fintech-Start-ups angegangen, die neuartige Dienstleistungen im Finanzbereich anbieten.
com! professional: Wo ordnen Sie den „Future of Finance Challenge“ ein?
Lange: Der Challenge ist Bestandteil unseres Aktivitätsportfolios zur Förderung von Innovation. Innovation heißt für die UBS auch Collaboration. Dafür arbeiten wir auf vier verschiedenen Ebenen mit den Mitarbeitern, den Marktteilnehmern und auch mit Wettbewerbern zusammen.
Für die Innovationsförderung haben wir erstens ein Seed Funding etabliert, das allen Mitarbeitern offensteht. Das Group Innovation Board stellt den besten Ideen eine Anschubfinanzierung zur Verfügung. Zweitens veranstalten wir Hackathons, an denen zuletzt vergangenen Sommer Hunderte UBS-Angestellte an zwölf Standorten weltweit neue Lösungen für die Finanzindustrie entwickelten.
Gemeinsam mit den Technologielieferanten und den Regulatoren arbeiten wir drittens zum Beispiel an der zukünftigen Ausgestaltung der Markt­infrastruktur. Und die vierte Ebene ist die Entwicklung eines Ökosystems von Fintechs. Hierzu zählt etwa auch der „Future of Finance Challenge“.
com!-professional-Event: FinTechWorld Conference
Die FintechWorld Conference am 7. November in Frankfurt analysiert die derzeitige Marktsituation im Finanzbereich.
Die Digitalisierung verändert auch den traditionellen Finanzsektor massiv. Durch den Einsatz neuer Technologien und die innovative Nutzung von Daten bieten junge Fintech-Unternehmen hocheffiziente und einfache Finanzdienstleistungen, die die Märkte von Banken und Versicherungen erobern. Die angestammten Player drohen im Privatkunden- und Firmengeschäft zu austauschbaren Anbietern auf fremden Plattformen zu werden oder ganz zu verschwinden.
Die FinTechWorld Conference wird von com! profes­sional veranstaltet. Sie zeigt, an welchen Stellen die Fintech-Unternehmen angreifen und welche Unternehmen mit welchen neuen Ansätzen erfolgreich sind.
Zahlreiche Top-Sprecher zeigen unter anderem, in welcher Weise zum Beispiel Künstliche Intelligenz die Möglichkeiten im Banking-Sektor erweitert und wie die Blockchain Banking-Prozesse umgestaltet.
Die FinTechWorld Conference findet am 7. November im Rahmen der Digitalmesse Tech Week auf dem Frankfurter Messegelände statt. Die Teilnahme an der Konferenz kostet 500 Euro.
Weitere Informationen zum Programm und Tickets finden Sie hier.
2. Teil: „Innovation heißt auch Kooperation“

Innovation heißt auch Kooperation

com! professional: Wie weit ist der mittlerweile zweite „Future of Finance Challenge“ fortgeschritten?
Lange: Weltweit haben wir rund 300 Bewerbungen erhalten. Zwischen Ende September und Ende November haben die Finalrunden in den Finanzzen­tren Hongkong, New York, London und Zürich stattgefunden und es wurde jeweils ein regionaler Sieger gekürt (siehe Kasten).
com! professional: Sie haben ein internes Seed Funding. Sind da­raus schon Ideen entstanden, die Sie eingeführt haben?
Lange: Über das Seed Funding haben wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren schon mehr als 60 Projekte unterstützt. Davon ist rund ein Viertel bereits in Produktion – oder auf dem Weg dorthin.
Ein Beispiel ist das Online-Onboarding. Die Lösung haben wir gemeinsam mit Start-ups innerhalb weniger Monate realisiert und als erste Bank der Schweiz auf den Markt gebracht. Ein zweites Beispiel ist SmartWealth, die digitale Vermögensverwaltung in Großbritannien.
com! professional: Stammt auch Innovation aus dem Management? Ist Ihr CEO beispielsweise schon mit einer neuen Banking-Idee auf Sie zugekommen?
Lange: Natürlich erhalten wir auch Inputs aus dem Management. Bevor die Bezahl-App Paymit auf dem Markt war, habe auch ich mich häufiger gefragt, warum ich meinem Hundesitter das Geld nur überweisen kann. Viel einfacher wäre es doch, wenn ich ihm den Lohn schlicht mit einer App senden könnte.
Die Idee zur Online-Kontoeröffnung stammt wie erwähnt ebenfalls aus den eigenen Reihen. Aber natürlich werden wir auch durch die Forschung, andere Branchen und Kundengespräche inspiriert.
com! professional: Welche Bedeutung haben Kundenkanäle wie WeChat oder Facebook?
Lange: Insbesondere in Asien haben wir Kunden, bei denen WeChat zum Alltag gehört. Deshalb prüfen wir Lösungen auch für diese Plattform. Unser Fokus liegt dabei allerdings auf der Sicherheit.
com! professional: Kommt der digitale Identitätsnachweis von der UBS?
Lange: UBS erachtet den digitalen Identitätsnachweis als eine fundamentale Säule für die digitale Ökonomie. Heute haben Kunden eine Vielzahl verschiedener Benutzerkonten und müssen jedes Mal, wenn sie bei einem neuen Dienstleister etwas kaufen möchten, den Registrationsprozess erneut durchlaufen. In Estland oder Indien begegnet man diesem Problem mit einem zentralistischen Ansatz. Es gibt aber auch privatwirtschaftliche Lösungen von Apple oder Facebook sowie Identitätssysteme von Banken. Bei Letzteren sind die skandinavischen Institute die Vorreiter. Die dortigen Bank-IDs wurden von den Kreditinstituten lanciert und später als Identitätsnachweise staatlich anerkannt. Einen ähnlichen Weg, sprich die Arbeitsteilung zwischen Staat und Markt, sieht UBS auch für die Schweiz. Die Banken bringen in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit sehr viel Know-how mit, da schon heute sehr viele Kundendaten digital verwaltet werden und die Anwender bereits hochsichere und fortschrittliche Identifikationsmittel haben, die sie täglich fürs E-Banking einsetzen. Allerdings ist es zwingend notwendig, dass sich möglichst viele Unternehmen an einem solchen System beteiligen. Je mehr Partner an Bord sind, desto größer wird der Nutzen für die Kunden und umso besser gelingen die Akzeptanz und die Verbreitung des Systems. Deshalb findet derzeit ein Austausch zwischen allen interessierten Parteien statt. Dabei wird geprüft, ob man in der Schweiz die Kräfte bündeln kann, um eine gemeinsame Lösung zu schaffen.
com! professional: Sie präferieren eine einzige Lösung für die Schweiz?
Lange: Ganz klar: ja! Wir arbeiten auf eine Kooperation hin, wie wir sie bei der Bezahl-App Twint auch schon haben. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die Anwendung unseren Sicherheitsanforderungen entsprechen muss. International untersuchen wir außerdem die Möglichkeiten einer Identitätslösung auf Basis der Blockchain.
UBS im Überblick
Die UBS ist ein global tätiges Finanzinstitut mit Haupt­sitzen in Zürich und Basel. Sie beschäftigt weltweit rund 60.000 Mitarbeiter.
Das Unternehmen stellt Finanzberatung und -lösungen für vermögende Firmen- und institutionelle Kunden weltweit sowie für Privatkunden in der Schweiz bereit. Die operative Struktur des Konzerns besteht aus dem Corporate Center und fünf Unternehmensbereichen:
– Asset Management
– Investment Bank
– Personal & Corporate Banking
– Wealth Management
– Wealth Management Americas
3. Teil: „Blockchain im Banking“

Blockchain im Banking

com! professional: Danke für das Stichwort. Arbeiten Sie an Projekten, in denen Sie eine Blockchain-Implementierung gegen eine andere testen?
Lange: Ja, wir testen tatsächlich. Bei den Blockchain-Projekten befinden wir uns heute generell erst in einer frühen Phase. Die meisten Anwendungen sind noch am Anfang ihrer Entwicklung.
Gleichzeitig sind Funding und das Venture Capital schon so stark, als wäre die Technologie bereits voll einsatzfähig. Davon sind wir jedoch weit entfernt.
com! professional: Auch bei den Robo-Advisors kooperiert UBS (mit dem Anbieter SigFig). Wie nehmen Sie Ihren Kollegen die Angst vor dem Verlust ihrer Jobs?
Lange: Die Zusammenarbeit mit SigFig ist derart aufgestellt, dass wir dem Kundenberater ein Tool in die Hand geben, mit dem er seine Beratungsleistung verbessern kann. Generell adressieren wir mit den Tools die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse: Es gibt Personen, die eine persönliche Beratung wollen, andere wollen die Selbstbedienung.
com! professional: Welche Anwendungen von Künstlicher Intelligenz sind schon heute bei UBS implementiert? Was könnten in Zukunft noch Themen werden?
Lange: Die Künstliche Intelligenz wird in Zukunft die Bankenwelt genauso stark verändern wie alle anderen Industrien. UBS hat mittlerweile ein ziemlich umfangreiches Programm zur Artificial Intelligence, das von einer Kollegin in meinem Team geleitet wird. Sie sammelt Ergebnisse von Experimenten sowie Proofs of Concept aus allen Unternehmensdivi­sionen.
Ein Beispiel für Künstliche Intelligenz bei UBS ist der Pilot mit Alexa respektive Amazon Echo. Dabei geht es um eine mögliche neue Kundenschnittstelle: die Spracherkennung und die Abfrage von Bankinformationen. Andere Anwendungsfälle sind eher im Backend. So arbeiten wir für die Risikominimierung an mehreren Früherkennungs- und Überwachungstechnologien.
com! professional: Welche Grenzen sehen Sie für die Technologien mit Künstlicher Intelligenz?
Lange: Die meisten Systeme sind heute noch nicht so ausgereift, dass sie komplexe Abfragen auch in verschiedenen Sprachen zufriedenstellend beantworten können. Außerdem ist nicht überall, wo Machine Learning draufsteht, auch wirklich Machine Learning drin. Die Technologie-Anbieter vermischen teilweise rein regelbasierte Systeme mit fortgeschrittenen Lösungen, die tatsächlich ein gewisses Maß an Intelligenz besitzen.
com! professional: Welche Grenzen hat Veronica Lange als Head of Innovation?
Lange: Keine. Ich habe tatsächlich einen Traumjob. Ich kann mich mit Themen beschäftigen, die noch nicht in der Bank etabliert sind. Und das ist nur eine Seite. Mein Thema ist auch, die Mitarbeiter zu unterstützen, selbst innovativ zu sein. Dazu zählen die erwähnten Hackathons, aber auch Schulungen und Trainings.
Durch die dezentrale Organisation des Innovation-Teams mit Angestellten in allen Geschäftseinheiten und Regionen sind wir zudem ein „Horchposten“ für das gesamte Unternehmen.

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