29.05.2019
Zusätzlicher Schub dank 5G
1. Teil: „Industrial IoT - der Stand der Dinge“
Industrial IoT - der Stand der Dinge
Autor: Rüdiger Sellin
elenabsl / shutterstock.com
Mit LoRa, 4G und bald 5G ergeben sich verschiedene Möglichkeiten für die Vernetzung von Maschinen für Industrie-4.0-Strategien. Durch die Kombination der Übertragungstechniken können Anwender quasi "IoT überall und total" erleben.
Das Internet der Dinge bildet die Kommunikationsbasis für die Verbindung zwischen Geräten und Maschinen, genannt "Machine-to-Machine (M2M) Communication". Sowohl die Internet-of-Things- (IoT) als auch die M2M-Entwicklung laufen seit vielen Jahren eher im Hintergrund ab und standen bisher kaum im Fokus der Öffentlichkeit. Auch die Idee zur Verbindung von Maschinen, um Daten und Informationen auszutauschen, ist längst in der Praxis umgesetzt. In Zügen, Lastwagen oder Autos kommunizieren bereits seit längerer Zeit verschiedene Sensoren über lokale Datenleitungen bzw. Datenbusse untereinander und/oder mit einer zentralen Steuerung.
Weil feste Datenleitungen besonders in Produktionsanlagen unflexibel und teuer sind, rücken nun mobile Netze für das Industrial IoT in den Fokus. WLANs kommen für industrielle Anwendungen kaum infrage, da sie in lizenzfreien und daher öffentlich zugänglichen Frequenzbereichen (2,4 und 5 GHz) funken. Hier sind weder Bandbreiten oder Sicherheit noch Qualität garantiert - im Gegensatz zu 4G- oder 5G-Netzen: Entsprechende Sender lassen sich gebäudeintern schnell auf- und abbauen oder um zusätzliche Kapazitäten erweitern und funktionieren ähnlich wie ihre Pendants auf öffentlichem Grund.
Kurzabfragen via GSM
Bereits in den 1990er-Jahren entstand die Idee, via Sensoren erfasste Messdaten über öffentliche Mobilfunknetze zu übertragen. Das war insbesondere an Orten zunehmend von Interesse, an denen keine Festnetzleitungen vorhanden sind. Hier kommen dann etwa alten GSM/2G-Netze für kurze Datenübermittlungen zum Einsatz. Diese dienen zum Beispiel für Kurzabfragen von Wetterdaten, Temperaturen, Füllständen in Anlagen und Automaten oder von Wasserständen. GSM (Global System for Mobile Communications) steht für den ersten digitalen Mobilfunkstandard, der die alten mobilen Analognetze ablöste und mit "NATEL D GSM" das neue digitale Mobilfunkzeitalter einläutete. GSM war primär für das mobile Telefonieren gedacht und erlaubte anfangs mit höchstens 14,4 Kbit/s (brutto) eine sehr langsame Datenübertragung. Allerdings reichten diese Verbindungen für IoT-Anwendungen (auch wenn die damals noch nicht so genannt wurden) jahrelang aus - in vielen Fällen bis heute.
Weiteres Verkehrswachstum
Doch die Anforderungen betreffend Schnelligkeit, Sicherheit und Datenmenge sind heute weitaus höher als in den 1990er-Jahren oder zu Beginn des Jahrtausends. Man kann hier von einer weltweiten Bewegung sprechen, denn längst verbindet das IoT eine große Anzahl von Geräten und Dingen miteinander. Während 2013 3,6 Milliarden Geräte vernetzt waren, wurde vergangenes Jahr die Grenze von 20 Milliarden verknüpfter Devices bereits überschritten. Und für 2023 werden (je nach Studie) zwischen 30 und 50 Milliarden prognostiziert. Zusätzliches Wachstum entsteht durch ständig neue Anwendungen und die vermehrten Möglichkeiten zur Vernetzung von Gegenständen.
Der Druck auf die Kommunikationsnetze und deren Betreiber wächst also weiter, einerseits wegen des Verkehrswachstums, andererseits wegen der begrenzten Möglichkeiten, neue Netze zu bauen. Zusätzlich setzt die Verordnung über nicht-ionisierende Strahlung (NISV) dem Ausbau zusätzlich enge Grenzen. Die darin definierten Anlagengrenzwerte werden staatlich kontrolliert und sind rund um die Uhr einzuhalten. Besonders Spitzen im Pendelverkehr, etwa in Städten oder entlang von Hauptverkehrsachsen, bereiten den Netzbetreibern Schwierigkeiten, da eine kurzfristige Kapazitätserweiterung nicht möglich ist.
2. Teil: „LoRa als strahlungsarme Alternative “
LoRa als strahlungsarme Alternative
Die LoRaWAN-Spezifikation definiert ein Low-Power-Wide-Area(LPWA)-Netzwerkprotokoll, das batteriebetriebene Gegenstände und Dinge in regionalen, nationalen oder globalen Netzwerken drahtlos mit dem Internet verbindet. Wichtige Anforderungen des IoT wie bidirektionale Kommunikation, End-to-End-Sicherheit, tiefer Energieverbrauch, Mobilität und Lokalisierungsdienste werden dabei berücksichtigt und vollumfänglich abgedeckt.
Die LoRaWAN-Netzwerkarchitektur wird in einer Sterntopologie eingesetzt, in der Gateways Nachrichten zwischen Endgeräten und einem zentralen Netzwerkserver weiterleiten. Die Gateways sind über Standard-IP-Verbindungen mit dem Netzwerkserver verbunden und agieren quasi als Brücken, indem sie den eingehenden Datenstrom in IP-Pakete umwandeln (und umgekehrt).
Internationale Verbreitung
Allgemein noch unbekannt ist die inzwischen weite Verbreitung von LoRaWANs, etwa in Nord- und Südamerika, Australien, West- und Osteuropa sowie in grösseren Teilen Asiens. In Europa ist das «The Things Network» (TTN) sehr populär, eine Community-basierte Initiative zur Errichtung eines globalen IoTs. Die Initiative wurde 2015 durch die Niederländer Wienke Giezeman und Johan Stokking gestartet und betreibt weltweit derzeit rund 8000 installierte LoRaWAN-Gateways (Stand Ende 2018). Funksignale von Sensoren mit hoher Reichweite werden via Gateways und dem öffentlichen Internet an eine Zentrale weitergeleitet. Dort werden die Signale, zum Beispiel Messdaten von Strom- oder Wasserzählern, verarbeitet und an definierte Empfänger weitergeleitet. Zur Erhöhung der Datensicherheit besteht eine AES-128-Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Die Bereitstellung, Errichtung und Betreuung der Gateways liegt oft in den Händen ehrenamtlicher Helfer. In Amsterdam ist es auf diese Weise gelungen, grosse Teile des Stadtgebiets in weniger als sechs Wochen mit einem LoRaWAN zu versorgen. Unterdessen deckt es grosse Teile der Niederlande ab. Ähnliches gilt für die Metropole Berlin: In der deutschen Hauptstadt dauerte es allerdings rund eineinhalb Jahre, um den rund 3,5 Millionen Einwohnern mit über 75 registrierten Gateways einen LoRaWAN-Zugang zu bieten. Künftig plant die LoRa-Allianz, weitere Netzzugänge über die Low-Earth-Orbit-Satellitentechnologie bereitzustellen, um auch Entwicklungsländern in Afrika einen preiswerten Internetzugang zu bieten.
3. Teil: „LPN: das Schweizer LoRa “
LPN: das Schweizer LoRa
Das LPN funktioniert im konzessionsfreien SRD-Band. Es reicht von 863 bis 870 MHz, das europaweit exklusiv für Funkkommunikation mit geringer Leistung reserviert ist. Die Abkürzung SRD steht für "Short Range Devices", früher auch "Low Power Devices" (LPD) genannt. Dahinter stehen Funkanwendungen mit kurzer Distanz zum Sender, primär zur Datenübertragung. Die Sendeleistung der Sensoren beträgt maximal 0,025 Watt, bei den Empfangsstationen sind es höchstens 0,5 Watt. Die Immissionen des Netzes sind somit äußerst gering und liegen weit unter den strengen landesweiten NISV-Grenzwerten. Über das LPN kommunizieren Dinge und Geräte einfach und kosteneffizient miteinander. Auf diese Art und Weise wird der Status eines Gegenstandes erfassbar wie beispielsweise hell oder dunkel, warm oder kalt, in Bewegung oder stehend. Hier lassen sich auch Datenlogger einbinden. Diese können je nach Anwendung batteriebetrieben jahrelang unabhängig vom Stromnetz Informationen senden. In den meisten Fällen übermitteln die Geräte nur sporadisch und dazu nur kurze Informationen. Dies können Drucker, Getränke- oder Parkautomaten, aber auch mobile Sensoren in Containern und Postpaketen oder an Automaten und Fahrrädern sein. Das LPN bietet für solche Anwendungen genügend Bandbreite, übermittelt die Daten energiesparend und senkt die Vernetzungskosten.
4. Teil: „Neue Technik für den Massenmarkt“
Neue Technik für den Massenmarkt
Das LoRaWAN wurde für eher unkritische IoT-Anwendungen im Massenmarkt entwickelt, sogenannte "Massive IoT"-Lösungen. Aufgrund der entsprechend einfachen Auslegung eignet es sich weder zur Sprachübertragung noch zum Transport großer Datenpakete oder für Echtzeitanwendungen. Zeitpunkt und Zuverlässigkeit werden in der Regel nicht garantiert. Primäres Ziel ist ein möglichst tiefer Energieverbrauch (für lange Akkulaufzeiten) bei kleinen Datenpaketen. Weil öffentliche Mobilfunknetze für möglichst hohe Bitraten ausgelegt sind, sind hohe Sendeleistungen und Endgeräte mit starken Akkus erforderlich. Daher eignen sich ältere Mobilfunkgenerationen wie GSM/2G und UMTS/3G im Grunde nur bedingt für IoT-Systeme. Sie nutzen die verhältnismäßig teuren Frequenzen zudem ineffizient und werden aus diesem Grund auf Ende 2020 (2G) respektive auf Ende 2024 (3G) abgeschaltet.
Seit 2012 werden LTE/4G-Netze gebaut, betrieben und laufend erweitert. LTE hat durchaus Vorteile, die man auch für IoT nutzen kann. Allerdings sind LTE-Endgeräte meist komplex, entsprechend teuer und benötigen dazu viel Energie. Um auch weniger übertragungskritische IoT-Anwendungen abdecken zu können, wurde die vierte Mobilfunkgeneration LTE/4G in den vergangenen Jahren um neue Funktionen erweitert. Dazu wurden zwei Servicekategorien definiert: "Narrowband IoT" (NB-IoT) und Cat-M1 auch LTE-M genannt.
Beide sind abgespeckte LTE-Varianten, die Daten mit lediglich 20 - 30 Kbit/s (NB-IoT) oder bis zu 100 Kbit/s (LTE-M) übertragen. Auch die mögliche Reichweite wurde begrenzt, denn neben der Datenrate ist auch die zu überbrückende Funkdistanz entscheidend für die Batterielebensdauer. Sie beträgt höchstens zehn Jahre bei NB-IoT sowie fünf Jahre bei LTE-M und sinkt mit steigender Datenrate und erhöhter Reichweite, da beides mehr Sendeleistung bedingt. Also wurde der Übertragungsmodus geändert: Statt Vollduplex-Übertragung wie bei normalen LTE-Endgeräten können NB-IoT-Geräte nur entweder senden oder empfangen (halbduplex), was für unkritische Anwendungen im Bereich Massive IoT ausreicht. Auf LTE-M läuft der Vollduplex-Modus nur optional, etwa für Notrufsysteme.
NB-IoT und LTE-M benötigen SIM-Karten zur Identifikation im LTE-Netz, die auch als energiesparende eSIM ausgeführt sein kann. Schließlich können beide dank extended Discontinuous Reception (eDRX) den Signalisierungsverkehr reduzieren, der in der Regel nur aus einem kurzen Paging besteht, etwa als OK-Meldung oder zur Positionsbestimmung. Dank dieses Maßnahmenpakets kann man einfachere und entsprechend günstigere Endgeräte mit tieferem Energieverbrauch anbieten.
Critical IoT (CIoT) als nächster Schritt
Dank leicht höherer Datenrate und optionaler Vollduplex-Übertragung eignet sich LTE-M für kritische IoT-Anwendungen (CIoT). Dazu gehören mobile Telemetriesysteme, die eine hohe Zuverlässigkeit seitens des Netzes voraussetzen, etwa Notruf-Armbanduhren mit Voice-Funktion zur Personenüberwachung via Voice over IP (VoIP).LTE-M kann dabei die Übermittlung kleinerer Datenmengen im kritischen Zeitrahmen und mit akzeptabler Latenz von maximal 200 Millisekunden garantieren.
Doch die Anforderungen an das IoT steigen weiter, insbesondere in Sachen Bandbreite, Zuverlässigkeit, Latenz und Echtzeitübertragung. Denn insbesondere sich bewegende Objekte wie Autos oder Busse sowie künftig Züge und Fernlastwagen bedürfen einer präzisen Steuerung in Echtzeit. Hier kommt die jüngste Mobilfunkgeneration 5G ins Spiel, die praktisch allen möglichen Anwendungen gerecht wird. Da diese im Bereich Massive IoT bereits durch andere Netze abgedeckt sind, wird sich 5G primär auf CIoT konzentrieren und kann seine Stärken hier voll ausspielen. Bis 5G aber flächendeckend vorhanden sein wird, werden noch einige Jahre vergehen. Eines steht jedoch heute schon fest: IoT wird zunehmend zu einer Alltagserscheinung.
Tabelle:
Eine Übersicht über mögliche Netztechnologien für IoT-Architekturen mit ihren Eigenschaften, typischen Nutzern und Anwendungen.
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