Business-IT
04.02.2020
Suche im Wandel
1. Teil: „Die größte Herausforderung ist das Nutzervertrauen“

Die größte Herausforderung ist das Nutzervertrauen

Search-EngineSearch-EngineSearch-Engine
Rawpixel.com / shutterstock.com
Kunden beginnen ihre Online-Shopping-Tour selten direkt auf einer bestimmten Herstellerseite. Vielmehr werden Suchmaschinen bemüht. Hier müssen aber aktuelle Angaben stehen.
  • Howard Lerman: Gründer und CEO von Yext
    Quelle:
    Yext
Die Customer Journey im Netz beginnt häufig mit einer Suche - nach einem Produkt, der Anschrift eines Shops, den Öffnungszeiten, den Bewertungen zu einem Unternehmen. Gesucht wird dabei auf allen möglichen Plattformen: Amazon,  Facebook, den Gelben Seiten, Google, Yelp und anderswo.
Der Dienstleister Yext hat eine Plattform entwickelt, die Unternehmen in die Lage versetzen soll, all diese Einträge  aktuell zu halten. Ein Interview mit Howard Lerman, dem Gründer und CEO von Yext, über Nutzererwartungen, Technologien - und die größte Herausforderung unserer Zeit.
com! professional: Yext hat sich auf die Synchronisation von Unternehmensdaten im Web spezialisiert. Welche Infos über ein Unternehmen suchen User denn im Internet am häufigsten?
Howard Lerman: Die Welt der Suche ­erlebt einen massiven Wandel - weg von Keywords hin zu Fragen. Unternehmen müssen künftig „Perfect Answers Everywhere“ bieten. Wir glauben, dass Unternehmen selbst die ultimative Autorität zu Fakten haben müssen. Sie müssen Antworten auf Suchen liefern - egal ob Kunden eine Suchmaschine, die Unternehmens-Website, Social Media oder einen anderen Kanal wählen.
com! professional: Welche Basisinformationen sind also am wichtigsten?
Lerman: Adressen und Öffnungszeiten sind sicherlich unter den Top Fünf der häufigsten Suchanfragen. Aber es geht nicht mehr nur darum, Informationen ­online korrekt zu halten. Kunden suchen auch nach Bewertungen zu einem Unternehmen. Sowohl Bewertungen als auch der Umgang mit ihnen wirken sich auf das Kauf- und Besuchsverhalten aus. Studien belegen, dass der versierte Umgang mit Bewertungen zu einem 18-prozentigen Anstieg an Verkäufen führen kann. Zudem beeinflussen Reviews die digitale Sichtbarkeit und Klickrate. Gerade bei lokalen Suchen sind sie wichtige Ranking-Faktoren. Und auch digitale ­Assistenten wie Alexa oder Siri greifen auf sie zurück, wenn sie versuchen, auf eine Frage die beste Antwort zu finden. Deshalb ist gutes Review-Management wichtig.
com! professional: Viele glauben, es ist vor allem wichtig, dass die aktuellen Daten auf der eigenen ­Website gepflegt werden. Ist das zu kurz gedacht?
Lerman: Ja, denn zum einen ist das digitale Universum mehr als die eigene Website - über Online-Dienste von Drittanbietern wird bis zu 2,7-mal so viel Traffic generiert wie über die eigene Website. Zum anderen hat sich das Suchverhalten komplett gewandelt. Nutzer suchen nicht mehr nur mit einzelnen Keywords, sondern stellen konkrete Fragen und erwarten korrekte Antworten. Natürlich ist es wichtig, dass die Daten auf der eigenen Website aktuell sind. Aber sie ist in den meisten Fällen nicht mehr der Ausgangspunkt einer Suche. Stattdessen sind es Suchmaschinen, Sprachassistenten und Apps. Umso wichtiger ist, dass Daten an allen Schnittpunkten, also auf allen Plattformen, aktuell ­gehalten werden.
2. Teil: „Nicht nur Google und Facebook sind wichtig“

Nicht nur Google und Facebook sind wichtig

  • Typisch Google: Auch der Blumenladen um die Ecke wird gefunden.
    Quelle:
    com! professional / Screenshot
com! professional: Es gibt viele Firmen, die einen Eintrag auf Google My Business und auf Facebook pflegen und der Ansicht sind, das reicht dann schon. Richtig oder falsch?
Lerman: Falsch - nur wenige Unternehmen operieren so nischenfokussiert, dass sie es sich leisten können, andere Plattformen zu ignorieren. Tun sie das dennoch, verlieren sie nicht nur potenziellen Umsatz, sondern verschenken auch die Kon­trolle über ihre Informationen und Daten. Auch technisch ist es nicht der richtige Ansatz: Auf der Suche nach den richtigen Antworten durchforsten Suchmaschinen und Sprach­assistenten alle verfügbaren Plattformen und gleichen die dort gefundenen Ergebnisse ab. Stimmen diese nicht miteinander überein, werden die Ergebnisse als falsch erachtet und nicht mehr entsprechend gerankt.
com! professional: Welche Kanäle sollten auf jeden Fall bespielt und gepflegt werden?
Lerman: Im Grunde alle Kanäle, auf ­denen sich die Zielgruppe - also die Kunden - bewegt. Eben auch aus dem Grund, weil Drittanbieter-Plattformen und dortige Bewertungen für das Google-Ranking und die Auffindbarkeit durch Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Google Home wichtig sind. Unternehmen dürfen nicht den Fehler begehen, sich nur auf die derzeit aktuellen Plattformen zu fokussieren. Sie müssen auch im Blick haben, wie sich der Markt entwickelt. Bestes Beispiel sind Augmented Reality und Virtual Reality. Noch werden diese im Hinblick auf Suche und Interaktion mit Unternehmen nicht eingesetzt. Aber die Entwicklung geht dorthin.
com! professional: Was sind typische Fehler, die Unternehmen beim Digital Location Marketing machen?
Lerman: Zum einen fokussieren sie sich oft auf einen oder wenige Kanäle und lassen außer Acht, dass sich Nutzer nicht homogen auf diesen Plattformen ­bewegen und auch andere Plattformen auf die Online-Sichtbarkeit einzahlen. Zum anderen aktualisieren viele ­Unternehmen ihre Daten nur auf der eigenen Website. Wer seine Daten auf mehreren Kanälen pflegt, ­unterschätzt hingegen oft den Verwaltungsumfang und behandelt dann ­bestimmte Kanäle eher stiefmütterlich.
com! professional: Welche Kanäle sind im Kommen oder spielen in absehbarer Zeit eine immer wichtigere Rolle?
Lerman: Die Technologie entwickelt sich stark in Richtung Sprach- und Video-­Assistenten. Unternehmen sollten sich ­bereits jetzt mit der Materie auseinandersetzen, um den Einstieg nicht zu verpassen. Zwar können sie die technologische Entwicklung nicht beeinflussen, aber sie können mitbestimmen, was Suchmaschinen, Assistenten und KI über sie wissen.
3. Teil: „Falsche Informationen wirken sich negativ auf Kaufverhalten aus“

Falsche Informationen wirken sich negativ auf Kaufverhalten aus

com! professional: Authentische Informationen sind in Zeiten von Fake News von höchster Relevanz. Wie checken Sie, ob die Informationen - etwa die Zahl der Mitarbeiter - so stimmen?
Lerman: Die größte Herausforderung unserer Zeit ist tatsächlich das Thema Nutzervertrauen. Ist es einmal erschüttert - etwa durch falsche Informationen -, wirkt sich das negativ auf das Kaufverhalten aus. Wir geben den Unternehmen die Möglichkeit, korrekte Fakten selbst zu verbreiten. Das heißt: Angaben über Öffnungszeiten, Dienstleistungen, Standorte, Mitarbeiter, Speisekarten und Events werden vom Unternehmen selbst gepflegt.
com! professional: Ihr Unternehmen betreibt kontinuierlich Keyword-Recherche, um zu prüfen, wie der User im Netz sucht. Was hat sich hier in den vergangenen Jahren verändert?
Lerman: Verändert hat sich vor allem, wie Unternehmen auf Nutzer reagieren können. Hier kommt das Intent Marketing ins Spiel. Das zielt darauf ab, die Absicht eines Konsumenten, ein Produkt zu kaufen oder einen Service in Anspruch zu nehmen, im Moment der Entscheidung zu erkennen und sofort zu reagieren. Dazu aber müssen Daten auch entsprechend aufbereitet sein - auf allen relevanten Plattformen. Stellen Kunden eine Suchanfrage mit dem Stichwort „kaufen“ und einem Ort, also zum Beispiel „Auto in Berlin kaufen“, hat dies eine ­andere Bedeutung als wenn sie „Welches ist das beste Auto?“ eingeben. Die Absicht ist eine andere. Wir erkennen das an der Formulierung ihrer Frage beziehungsweise an der Nutzung bestimmter Keywords.
com! professional: Wie wird Voice die Suche verändern?
Lerman: Das Thema Voice ist sicherlich einer der Gründe, warum sich unser Suchverhalten geändert hat - weg von Keywords und hin zu konkreten Fragen. Aber Voice nimmt vor allem in Deutschland erst an Fahrt auf. Sprachassistenten werden sich rapide weiterentwickeln - laut Schätzungen werden bis 2020 die Hälfte aller Suchanfragen über sie gestartet. In Deutschland muss jedes Unternehmen, das eine eigene Online-Präsenz hat, seine Inhalte und Informationen neu strukturieren, um sich auf diese Zukunft der Informationssuche vorzubereiten. Durch das sich wandelnde Suchverhalten steigt auch der Anspruch an die ­Ergebnisse. Nutzer erwarten, dass sie sofort richtige Antworten erhalten. Unternehmen müssen deshalb ihre Website und andere Plattformen als Orte für Antworten sehen.
com! professional: Welche Ziele hat sich Yext für die kommenden Jahre gesetzt?
Lerman: Weiter zu wachsen und unser Geschäft in Europa auszubauen. Seit Anfang des Jahres treibt ­Wendi Sturgis als CEO Europe für Yext dies maßgeblich voran. Um der Nachfrage nach unseren Services und dem wachsenden Anspruch gerecht zu werden, erweitern wir unser Team weltweit - auch in Deutschland.

mehr zum Thema