Business-IT
26.02.2019
Pharmagroßhändler Voigt
1. Teil: „Wenn das ERP an seine Grenzen stößt“

Wenn das ERP an seine Grenzen stößt

ERPERPERP
Aa Amie / shutterstock.com
Der Schweizer Pharmagroßhändler Voigt liefert über 40.000 Produkte binnen zwei Stunden. Als das ERP den hohen Warenumschlag nicht mehr schaffte, musste eine Speziallösung her.
  • Warenlager in Romanshorn: Der Schweizer Pharmagroßhändler Voigt liefert über 40.000 Artikel innerhalb von zwei Stunden.
    Quelle:
    Voigt
Der Pharmagroßhändler Voigt aus Romanshorn im Schweizer Kanton Thurgau liefert über 40.000 Arzneimittel, Medizin- und Wellnessprodukte innerhalb von zwei Stunden in die gesamte deutschsprachige Schweiz. Eine adäquate und vor allem wirtschaftliche Warenverfügbarkeit zu garantieren, ist bei den speziellen Anforderungen, die im Pharma­großhandel und im Gesundheitswesen herrschen, keine leichte Aufgabe: „Neben den teilweise recht kurzen Haltbarkeiten, zum Beispiel bei Produkten aus dem Reformsortiment, hat auch ein starkes Saisongeschäft Einfluss auf unsere Planung“, berichtet Dietmar Stock, Bereichsleiter Beschaffung und Logistik bei Voigt.
Zum Beispiel sei der Bedarf an Sonnenschutz abhängig von der Temperatur und auch Erkältungswellen oder die Heuschnupfensaison fielen jedes Jahr leicht unterschiedlich aus. Zusätzlich Druck entsteht durch die Sensibilität der Kunden: „Im akuten Krankheitsfall oder bei chronischen Leiden kann kein Patient auf sein Medikament warten. Deshalb beliefern wir Apotheken und Drogerien bis zu dreimal täglich und dies teilweise sieben Tage in der Woche“, so Stock.
Unter den mehr als 250 Beschäftigten bei Voigt sorgen lediglich fünf Disponentinnen für die optimale Verfügbarkeit der 40.000 Lagerartikel. Zusätzlich zu diesem bereits enormen Produktportfolio stellt Voigt weitere 30.000 Artikel für individuelle Kundenbedürfnisse bereit. „Unser Ziel ist es, mit exzellenter Warenverfügbarkeit, einem fachhandelorientierten Sortiment und guten Kondi­tionen zum Erfolg unserer Kunden beizutragen“, erklärt Dietmar Stock.

ERP ist nicht genug

Aufgrund der großen Produktvielfalt und des Anspruchs an Schnelligkeit ist das Supply Chain Management bei Voigt naturgemäß nicht ohne IT-Unterstützung zu bewältigen. „Wir wissen, dass Investitionen in eine innovative IT-Infrastruktur und die Digitalisierung der Prozesse Voraussetzungen sind, um in diesem Markt erfolgreich zu sein“, betont Jakob Küng, Familienvertreter und Delegierter des Verwaltungsrats der Voigt Gruppe. Aus diesem Grund arbeitet das Unternehmen bereits seit vielen Jahren mit dem ERP-System SAP for Retail.
Das System zeigte laut Stock jedoch auch nach mehreren Weiterentwicklungen nur eingeschränkte Möglichkeiten bei der Aufbereitung der branchenspezifisch benötigten sowie entscheidungsrelevanten Daten für Disposition und Einkauf. „Zwar berücksichtigten die Prognoseverfahren des ERP-Systems im Ansatz auch saisonale Einflüsse, jedoch fand keine ausreichende Bestelloptimierung statt, die unseren wirtschaftlichen Zielen gerecht wurde“, sagt Stock. „Wir mussten eine ergänzende Lösung für unsere Bestell- und Dispositionsprozesse finden, um die langfristigen Unternehmens­ziele erreichen zu können.“
2. Teil: „Sorgfältige Evaluation“

Sorgfältige Evaluation

Bei der Auswahl einer neuen Lösung war für Voigt von hoher Bedeutung, dass der Software-Anbieter ein umfassendes Verständnis für die Besonderheiten des Pharmagroßhandels mitbringt. Stock und seine Kollegen luden mehrere Anbieter ein, um mit ihnen die Anforderungen an eine Optimierungs-Software zu erarbeiten.
Konkrete Wünsche seitens Voigt waren qualitativ hochwertige Prognosen, eine Bestelloptimierung und die Möglichkeit der Automatisierung unkritischer Bestellprozesse. Für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern war eine hohe Bedienfreundlichkeit ein zusätzlicher Anspruch.
Den Zuschlag erhielt schließlich der Business-Software-Hersteller Inform. Besonders überzeugend war laut Dietmar Stock Informs Verständnis für die Reduzierung von Abschriften, also den Produkten, die ihre Haltbarkeit überschritten haben und damit aus dem Vertrieb herausgenommen und entsorgt werden müssen. Dieser Aspekt gewinnt im Sinne von Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit in der Branche mehr und mehr an Bedeutung.
Das Inform-Programm addOne wurde schließlich in zwei Phasen eingeführt: Zunächst wurde die Standardversion in­stalliert, anschließend wurden notwendigen Erweiterungen am System vorgenommen.

Vertrauen in die Software

Mit einem einfachen Roll-out war die Einführung allerdings nicht erledigt. Die Mitarbeiter in der Disposition mussten Vertrauen in die Ergebnisse gewinnen, die ihnen das System liefert. Da sich die Arbeitsweise mit addOne veränderte, musste dieses Vertrauen zunächst aufgebaut werden. Zum einen liefert das System einen viel größeren Prognosehorizont, der die Sicht auf die Ergebnisse verändert. Und auch die optimierten Bestellvorschläge wichen in vielen Fällen vom gewohnten Bestellverhalten der Artikel ab.
„Das Vertrauen in die Ergebnisse haben wir dadurch erreicht, dass wir unsere Lieferanten schrittweise in die Planung mit addOne aufgenommen und die Ergebnisse regelmäßig betrachtet und nachvollzogen haben“, erläutert Stock. So ließ sich das Risiko in der Materialversorgung reduzieren, Vertrauen bilden und gleichzeitig die positiven Ergebnisse durch die Arbeit mit addOne aufzeigen.
Die Automatisierung der durch addOne zu planenden Artikel führte zu einer Verschiebung des operativen Tätigkeits­felds in der Disposition: „In der Vergangenheit hatten die Disponentinnen auch Aufgaben wie die Stamm­daten- und Konditionenpflege. Dies haben wir jetzt zugunsten der reinen Fachtätigkeiten geändert“, erklärt Jeannette Buff, Teamleiterin Disposition. Als Projektleiterin für die Implementierung von addOne hat sie den Prozess von der Einführung bis zur operativen Arbeit begleitet. „Die Kolleginnen mussten sich zunächst an die neue grafische Darstellung der Ergebnisse sowie den viel größeren Planungshorizont von beinahe 52 Wochen gewöhnen. Die positiven Entwicklungen haben das Vertrauen in das System aber schnell gestärkt. Heute ist die Akzeptanz für die Software hoch. Wir disponieren heute zu 100 Prozent mit addOne.“ Die früheren Prozesse im SAP-System wurden komplett abgelöst.

RoI nach einem Jahr

Die Einführung der Inform-Lösung hat bei Voigt mehrere Verbesserungen bewirkt. „Dank addOne haben wir den Lagerumschlag um 25 Prozent erhöht. Dieses Ergebnis hat unsere Ziele deutlich übertroffen. Die Qualität der Bestellvorschläge ist sehr gut. Auch die Einsicht in unsere Daten wie die Bestandsverläufe ist viel transparenter geworden, als es mit SAP der Fall war“, betont Dietmar Stock. Durch eine intelligente Bestelloptimierung konnte zudem die Zahl der Bestell- und Wareneingangspositionen um 29 Prozent reduziert werden. Jede Disponentin bewirtschaftet nun durchschnittlich 8000 Artikel mit jeweils zwei Lagerstandorten.
Mit dem Return on Investment (RoI) war Voigt sehr zufrieden: „Bereits ein Jahr nach der Investition in die Digitalisierung unserer Lieferkettenplanung haben wir begonnen, auch finanziell davon zu profitieren“, so Stock.
Nun will Voigt die Planung sporadisch nachgefragter Artikel mit der Prognose von Inform weiterentwickeln. Laut Stock ist dieser Artikeltyp schwer zu planen, da die Verkaufshistorie keine Aufschlüsse über den künftigen Absatz liefert. Die neue Funktion soll verlässliche Zielbestände für diese Artikel berechnen und so die Artikelverfügbarkeit weiter verbessern.

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