E-Commerce
10.11.2016
Service per Chatbot
1. Teil: „Einkaufen mit dem persönlichen Assistenten“

Einkaufen mit dem persönlichen Assistenten

Chatbot auf dem SmartphoneChatbot auf dem SmartphoneChatbot auf dem Smartphone
Zapp2Photo / Shutterstock.com
Chatbots müssen noch viel lernen, ein bisschen shoppen geht aber heute schon. com! professional zeigt, welche Lösungen bereits am Markt sind und wohin sich die Technologie entwickeln wird.
Butter, Paprikasalami, zehn Bio-Eier, Bio-Vollmilch und Käse, am liebsten Appenzeller. Wer gestern mit einer solchen Einkaufsliste in den Supermarkt gegangen ist, kann seine Wünsche heute per Whatsapp an Allyouneedfresh schicken und bekommt binnen weniger Minuten einen Link zum gefüllten Warenkorb zurückgeschickt.
Seit Ende Juli gibt es den Whatsapp-Einkaufsservice im Lebensmittel-Shop des DHL-Marktplatzes Allyouneed. Die erste Resonanz ist gut: „Bereits heute können wir sagen, dass die positive Art, wie der Service angenommen wird, und das Tempo, mit dem er sich verbreitet, die Vermutung ­nahelegt, dass es nach der dreimonatigen Testphase weitergehen wird. Wie genau, werden wir sehen“, resümiert All­youneedfresh-Geschäftsführer Jens Drubel.

Whatsapp-Einkaufsliste

Und so funktioniert’s: Der Kunde speichert eine Nummer von Allyouneedfresh im Smart­phone und schickt per Whatsapp seine Einkaufsliste oder das Foto eines Rezepts an den Online-­Supermarkt. Dort analysiert ein Bot – also eine Software, die Aufgaben automatisiert erledigen kann – die Liste und identifiziert die gewünschten Produkte.
Mit Hilfe der selbst entwickelten ­Recommendation-Engine wird der Warenkorb dann im Shop zusammengestellt. Der Kunde bekommt den Link zu diesem Warenkorb und gelangt so auf eine Landing Page des Shops im Responsive Design. Dort kann er den Einkaufskorb verändern, bezahlen, die Lieferoptionen auswählen und die Bestellung abschließen.
Doch halt: Ganz so einfach ist es (noch) nicht. Noch kann die Technologie den Menschen nicht vollständig ersetzen. „Das System trifft eine Vorauswahl. Dann prüfen Mitarbeiter die Auswahl und passen sie gegebenenfalls an. Deshalb ist es noch ein Pilot. Das System muss bei mehr als 22.000 verfügbaren Produkten noch viel lernen“, räumt ­Drubel ein.
Er nennt ein Beispiel: Wenn ein Kunde mehrere Bio-Produkte auf seiner Liste hat, ist es sinnvoll, dass das System bei Reinigungsmitteln ebenfalls ein Bio-Produkt empfiehlt. Viel Nacharbeit ist auch bei Rezeptfotos erforderlich.
2. Teil: „Chatshopper“

Chatshopper

  • Regenjacke via Messenger: Chatshopper hat sich auf Mode spezialisiert.
    Quelle:
    Chatshopper
Auf Chatbots setzt auch das 2015 von Antonia Ermacora und Matthias Nannt in Berlin aus der Taufe gehobene Chatshopper. Via Facebook-Messenger können Nutzer Fashion-Wünsche an Chatshopper schicken. Shop-Partner ist Zalando. Die  Text- und Spracherkennung läuft über die cloudbasierte Lösung von Wit.ai, ein Anfang 2015 von Facebook übernommenes Start-up. 
Die Bot-Architektur hat Chatshopper selbst entwickelt. Anhand von „Intends“ wie Hemd, Pullover, Hose, Farbe oder Größe soll der Bot erkennen, was der Nutzer möchte. Ist der Bot zu 100 Prozent sicher, dass er den Kundenwunsch richtig erkannt hat, wird die Anfrage an Zalando übergeben. Ist er sich nicht sicher, wird sie von einem Mitarbeiter geprüft.
Die Bot-Architektur ist modular, sodass sie an alle Shops und alle Messenger-Systeme andocken kann, die über eine offene Schnittstelle (API) verfügen. „Damit können wir sofort bei Anbietern wie Instagram, Snapchat oder auch Whatsapp ­andocken, wenn sie sich wie Facebook über eine API öffnen“, erklärt Ermacora.

Bots müssen selbstständig werden

Zwei Herausforderungen müssen Anbieter wie Chatshopper oder Allyouneedfresh bewältigen: Zum einen verfügen derzeit nur wenige Messenger, Shops und Service-Anbieter über offene APIs. Whatsapp will sich Gerüchten zufolge frühestens zum Jahresende für solche Business-Anwendungen öffnen.
Zum anderen muss das System automatisiert laufen, da die Bearbeitung der Anfragen durch Menschen viel zu aufwendig und zu teuer ist. „Uns war schnell klar: Wir können nicht beständig mehr Leute beschäftigen. Menschen skalieren nicht“, so Ermacora. Der Bot muss daher permanent lernen, um die Kundenwünsche immer besser ­interpretieren zu können. „Im ersten Schritt kommt es darauf an, dass der Bot überhaupt versteht, was der Kunde will. Im zweiten kann er lernen, die Vorschläge zu optimieren und zu personalisieren. Wir sind bei Schritt eins, in der Trainingsphase“, betont Ermacora. Ziel ist, dass der Bot auch ein Mindestmaß an Smalltalk beherrscht.
3. Teil: „Concierge-Service“

Concierge-Service

Der Automatisierungsgrad entscheidet im Zweifel über den Erfolg, wie das Beispiel des Con­cierge-Services „James, bitte“ zeigt. Er bot an, via Messenger Aufträge aller Art zu erledigen – vom Kauf von Schmerz­tabletten bis zur Organisation eines Candle-Light-Dinners. „Die Entwicklung eines Automatisierungssystems war zeitaufwendig und hat viel gekostet. Uns fehlte letztlich ein ­Investor, der das mitgetragen hätte“, so das Fazit von Mateusz Warcholinski, dem Gründer von „James, bitte“. Nach fünfmonatiger Pilotphase wurde der Service beendet, Warcholinski stellt sein Know-how heute bei der Agentur Brainhub anderen Firmen zur Verfügung.
Dennoch: Die Einsatzmöglichkeiten für Chatbots sind vielfältig. Über einen Facebook-Bot kann man bei Jobmehappy Job­angebote suchen und speichern lassen. Das Berliner Start-up Insurgram arbeitet mit der Ergo Direkt an einem Bot, der über Versicherungen ­informiert und sogar den Abschluss einer Police darüber möglich machen soll.
Auch im Business-Bereich ergeben sich völlig neue Anwendungen. Sage, ein Anbieter cloudbasierter Buchhaltungslösungen, hat unlängst seinen Messenger-Bot „Pegg“ vorgestellt. Dieser erfasst via Facebook-Messenger verschickte Finanztransaktionen und führt sie aus. „Der Nutzer soll vom Buchhaltungsaufwand überhaupt nichts mitbekommen. Geschäftsvorfälle können ganz einfach per Textnachricht aufgezeichnet und versendet werden. Viel zu lange mussten wir lernen wie ein Computer zu sprechen. Es ist an der Zeit, dass Computer lernen wie wir zu sprechen“, so Kriti Sharma, Global ­Director for Mobile Product ­Management bei Sage.

In-Bot-Payment und Bot-Stores

Noch ist vieles Zukunftsmusik. Doch mit dem Fortschreiten der künstlichen Intelligenz und der Lernfähigkeit von Maschinen wird sich die digitale Service-Landschaft verändern. Ralf Ohlhausen, Business Development Director bei dem Payment-Technologie-Anbieter PPro, hält es für möglich, dass analog zu Apps in App-Stores künftig Bots für unterschied­liche Aufgaben in Bot-Stores angeboten werden. Denkbar hält er auch ein In-Bot-Payment und – wie bei den App-Stores – das Bezahlen über Zahlungsdaten, die beim Bot-Store hinterlegt sind – und damit bei einem Messenger-Anbieter wie Facebook. Und so ließen sich dann auch die Butter, die Salami und die Bio-Eier bezahlen.

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