Business-IT
28.12.2018
CEO, CIO, CDO
1. Teil: „Die Digitalisierung gemeinsam meistern“

Die Digitalisierung gemeinsam meistern

GeschäftsprozesseGeschäftsprozesseGeschäftsprozesse
Panchenko Vladimir / shutterstock.com
Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle verändern sich. Das sollte Chefsache sein.
Digitale Technologien breiten sich in vielen Unternehmen aus. Doch obwohl die damit einhergehenden disruptiven Effekte durchaus bemerkt werden, liegen die konkreten IT-Projekte oft noch nicht in den Händen des CEOs. Das jedenfalls zeigt die Umfrage unserer Schwester-Zeitschrift „Computerworld“ bei den Top-500-Unternehmen in der Schweiz. Wenn ICT-Leistungen nachgefragt werden, liegt die Beschaffung demnach zumeist nach wie vor in der Verantwortung des CIOs oder IT-Leiters. Verglichen mit dem Vorjahr ist in diesem Bereich die Bedeutung des CEOs nur langsam gewachsen, genauso wie sich der Einfluss der IT-Chefs nur wenig reduziert zeigt. Bemerkenswert ist immerhin, dass die Fachabteilungen als Anlaufstelle für die ICT-Anbieter wichtiger werden.
Da die in der Digitalisierung schlummernden Potenziale eigentlich Chefsache sind, müsste die Verantwortung für den IT-Leistungsbezug sehr viel deutlicher beim CEO liegen, meint nicht nur Tobias Eberle, Chef der Kreuzlinger Data Migration Services. „Die Digitalisierung ist eine strategische Entscheidung und damit Thema des CEOs beziehungsweise auch des Verwaltungsrats“, ist er sicher. Gehe es mittels digitaler Innovation und Transformation doch darum, Wachstum und Wettbewerbsvorteile zu erzielen.Welche technischen Fähigkeiten dazu benötigt werden, liege zwar in der Verantwortung der IT-Abteilung oder auch des Digital Officers. Doch seien „diese gefordert, ihre Visio­nen auf die Unternehmensstrategie auszurichten“, betont der CEO des IT-Dienstleisters für das Managen des Lifecycles von Unternehmensdaten.
Dennoch sei in der Realität bei gut der Hälfte seiner Kunden nach wie vor der CIO der wichtigste Ansprechpartner für die Digi­talisierung. Andererseits setzen viele in der Entscheidungsfindung bereits auf Rollen wie den Chief Digital Officer oder Chief Innovation Officer: „Sie wollen damit sicherstellen, dass ihnen die digitalen Technologien einen Wett­bewerbsvorteil verschaffen“, erklärt Eberle.
Diese Differenz sei aber den Projekten geschuldet, fährt er fort. Gehe es doch im klassischen Geschäft seiner Firma um die Stilllegung von Altsystemen, also neben dem langfristigen Zugriff auf Altdaten vor allem auch um Kostenoptimierung. Hier seien primär die IT, aber auch die Finanzabteilung die Ansprechpartner. In Transformationsprozessen wie Umstellungen auf die ERP-Lösung SAP S/4 HANA rücke hingegen die Datenqualität in den Fokus. „In solchen Projekten ist die IT involviert, aber die Fachabteilungen geben den Ton an“, erklärt Eberle.
Grundsätzlich sieht man das auch bei iWay, dem Internet Service Provider (ISP) der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK), ähnlich. Geschäftsführer Matthias Oswald gibt aber zu bedenken, dass die Digitalisierung sehr oft eine große Anzahl von Projekten und Initiativen umfasse, „für die der CEO oft zwar in der Gesamtheit zuständig ist, die einzelnen Teile sich aber in den Fachabteilungen abspielen“.
In der Praxis heißt dies laut Oswald: „Für ICT-Dienstleister ist die oder der CIO des Kunden trotzdem nach wie vor der zentrale Kontakt.“ Außerdem bestehe die digitale Transformation aus diversen multidiszipli­nären Projekten. Das habe zur Folge, dass die Kontakte in den Fachabteilungen tendenziell an Bedeutung gewinnen. Da bei der digitalen Transformation das ganze Unternehmen und alle Bereiche involviert seien, liege dieser Trend gleichsam auf der Hand, fügt er an. „Man kann halt nicht auf Befehl und gewissermaßen auf Knopfdruck zentral digitalisieren. Solche Gigaprojekt-Ansätze werden eher scheitern und sehr bald von agilen Teams links und rechts überholt werden“, betont Oswald.
Als Dienstleister habe man heutzutage schlicht zur Kenntnis zu nehmen, dass eben nicht explizit der CEO angesprochen werden muss und Digitalisierungsprojekte teilweise nicht mehr unter der Leitung der IT-Abteilungen durchgeführt werden. Daran müsse man sich anpassen und auch Kontakte mit „nicht traditionellen“ Ansprechpartnern in den Unternehmen suchen und pflegen, findet Oswald.
2. Teil: „Viele Ansprechpartner“

Viele Ansprechpartner

Stefano Camuso, der seit gut einem Jahr an der Spitze von T-Systems Schweiz steht, streicht zunächst einmal heraus, dass „die Vision, wie die Digitalisierung das Geschäftsmodell des Unternehmens fit für die Zukunft macht oder gar neue Geschäftsmodelle entstehen lässt, in der Verantwortung der Geschäftsleitung“ liegt. Wichtig sei, dass Vertreter aus der Geschäftsführung - bei einem Unternehmen könne dies ein Dreiergespann aus CEO, CIO und CDO sein - diese Vision gemeinsam tragen und voranbringen und die Verantwortlichkeiten an den Schnittstellen von der Konzeption bis zur Umsetzung klar regeln.
Camuso weiß jedoch, dass bei Infrastrukturprojekten, der Beschaffung von Netzwerk- oder Hardware-Komponenten oder beim Betrieb der IT zumeist der Kontakt zur IT-Abteilung ausreicht. Erst wenn es darum gehe, Prozesse neu oder durchgängiger als bisher digital abzubilden, könne und müsse sich der Kreis der Involvierten auf das ganze Unternehmen ausweiten, stellt auch der Chef eines der größten Schweizer IT-Dienstleister klar: „Nur wenn das Unternehmen seinen Kunden eine konsistente Customer Journey bieten kann, wird es mit seinem digitalisierten Geschäftsmodell erfolgreich sein.“
Camuso schließt in Sachen Einbindung der Fachabteilungen übrigens Marketing und Vertrieb genauso ein wie Logistik und Kundenservice. In den von T-Systems durchgeführten Workshops zur digitalen Transformation adressiere man explizit einen breiten Kreis an Ansprechpartnern innerhalb und außerhalb der IT, betont er. „Wir fokussieren uns mehr auf Business Innovation als auf die jeweilige Technologie, mit der sie umgesetzt wird“, ergänzt Camuso und resümiert: „Der CIO, der sich stark mit dem Business austauscht, ist weiterhin ein zentraler Kontaktpunkt.“
Weil digitale Technologien zunehmend zum Enabler für weiterführende Geschäfte würden, steige die Bedeutung der IT. Und deshalb gebe es in größeren Unternehmen auch schon einen CDO, der offensiv nach neuen Chancen für das Unternehmen suche, der also als ein Herausforderer und Disruptor fungiere sowie den Kundennutzen über alles stelle, hält Camuso fest. „Diese beiden Funktionen sind zentral für die digitale Strategie und deren Umsetzung in den IT-Betrieb.“
3. Teil: „Business wird bedeutsamer“

Business wird bedeutsamer

Camuso macht noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam. Mit Cloud-Lösungen hätten die Fachabteilungen enorm viel an Autonomie, Flexibilität und Vielfalt an Lösungen gewonnen, was ihnen die Interaktion mit ihren Kunden erleichtere. Das Marketing nutzt digitale Kanäle von Website bis Social Media, das HR führt digitale Assessments oder mobiles Recruiting ein, der Kundenservice wird remote oder mobil abge­wickelt, illustriert T-Systems-Schweiz-Chef die Lage. Im digital transformierten Unternehmen sei die Wertschöpfung End-to-End durchgängig auf Mehrwert, Komfort und Kunden­nutzen ausgerichtet. Die Services kommen gemäß Camuso aber als fachspezifische Applikationen vom Dienstleister.
Den Trend, statt des CIOs verstärkt das Business einzubinden, hat auch Rolf Stadler, Chef der Schweizer Filiale des norwegischen Lizenz­beraters Crayon, festgestellt. Wer als CEO agil bleiben wolle, könne seine Augen nicht vor der Digitalisierung verschließen. Nehme der CEO sich heutzutage nicht dieses Themas an und fälle bewusste, strategische Entscheide, werde er „die Zukunft nicht mehr mitgestalten können“.
Diesen Wandel hat Stadler beim Verkauf von ICT-Lösungen bereits bemerkt. Im Gegensatz zu früher, wo es generell der IT-Verantwortliche war, trifft er nun auf unterschiedliche Ansprechpartner. Gleichwohl sei der CEO „die Person, welche die Digitali­sierung vorantreiben muss, damit sie in einer Firma auch fruchtet“. Folglich sei der CEO der erste Kontaktpunkt für ICT-Anbieter. Erst wenn es um dedizierte Lösungen gehe, würden die Fachabteilungen und deren Verantwortliche zentral. Da der Bedarf aus dem Business angemeldet werde, verlagere sich die Verantwortung erst dann zum CIO, wenn es um die Beschaffung und Umsetzung eines Projekts gehe. Das sei auch sinnvoll, da der IT-Chef oftmals auch die Budget- und Compliance-Verantwortung habe, hebt Stadler hervor. Und da die Fachabteilungen relevanter würden bei der Findung von Lösungen für ihre dedizierten Anforderungen und Herausforderungen, entstehe „Bedarf, lange bevor der IT-Leiter davon Kenntnisse hat“.
Deshalb würden Lösungsanbieter oft aus den Gesprächen mit den Fachabteilungen und sogar mit deren Unterstützung ihre Angebote entwickeln. Letztlich müssten die Verantwortlichen und Mitarbeiter der Fach­abteilungen davon überzeugt sein, mit dem neuen Produkt ihr Problem zu lösen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Stadler betont, der IT-Leiter werde selten von sich aus tätig und sage, dass er dann mal etwas Neues brauche. Er würde auch nicht von sich aus, ohne Einbezug der Fachabteilungen, etwas Neues beschaffen, obwohl er am Ende des Tages Umsetzung, Anpassung an Umsysteme, Budget und Compliance verantworte.
4. Teil: „Digitalisierung und Ressourcen“

Digitalisierung und Ressourcen

  • Umsetzung von Digitalisierungsprojekten: Noch ist der IT-Leiter der bedeutendste Kontaktpunkt für Lösungsanbieter. Immer öfter kommt aber auch der CEO ins Spiel.
    Quelle:
    ICT Analytics (Mehrfachnennungen möglich)
Wie iWay-Chef Oswald unterstreicht Stadler, dass man nicht einfach digitalisiert, weil man Lust dazu hat. Es sei vielmehr ein klarer, strategischer Entscheid für die Ausrichtung der Firma. „Damit einher gehen teils große finanzielle Aufwände, die Bindung von Ressourcen und ein generelles Umdenken der Belegschaft. Wenn das funktionieren soll, kann es nur vom CEO respektive der Geschäftsleitung verantwortet werden.“
Seine Erfahrungen zeigen, dass bei Unternehmen, die noch nicht auf dem Weg der Digitalisierung sind, die Themen häufig durch die IT oder sogar durch den Einkauf geleitet werden. In solchen Unternehmen sei es schwierig, überhaupt bis zu den Fachabteilungen vorzudringen, führt er aus. „Oft steht immer noch der Preis und nicht die ideale Lösung im Vordergrund.“ Anders sehe es bei Unternehmen aus, in denen die Digitalisierung gelebt und strategisch gesehen werde. Dort „sind auch die Fach­abteilungen bereit, etwas Neues kennenzulernen, da die Chance besteht, dies dann umsetzen zu können“.

Technologiebrille abnehmen

Nach diesen Analysen verwundert es kaum, wenn sich T-Systems-Mann Camuso wünscht, dass bei der Leistungsbeschaffung mehr ex­perimentiert wird. „Zukunftsfähige Lösungen werden nur entstehen, wenn beide Seiten - Anwenderunternehmen und Berater respektive Lösungsanbieter - ergebnisoffen, agil und kreativ in Co-Creation zusammenspannen“, hält er fest. In diesem Zusammenhang würden Ökosysteme, die sich ein Dienstleister aufbaut, immer wichtiger. So könnten etwa von den Start-ups die findigen Ideen und von den gestandenen „Supertankern“ die stabilen Infrastrukturen für Entwicklung, Tests und raschen Rollout von Lösungen stammen.
Wenn diese beiden Kompetenzen dann in den richtigen Teams gebündelt würden, könne „sehr schnell sehr viel bewegt werden“. Man müsse die Unternehmen davon überzeugen, gemeinsam mit den Dienstleistern Neuland zu betreten: „Dabei lernen sie und wir gleichermaßen.“ Das sei dann auch keine Frage des richtigen Ansprechpartners im Unternehmen mehr, sondern habe viel mit der Einstellung, dem Mindset, zu tun, zeigt sich Camuso überzeugt. 
Verharre man im Denken, dass nur die IT zur IT spricht, werde allenfalls die Tech­nologie erneuert und auf Effizienz getrimmt. Doch erst wenn der IT-Dienstleiter und -Berater mit dem Business-Bereich des Anwenderunternehmens zusammentreffe, gehe es um Prozesse, um Prozess-Re-Engineering und um Business Innovation. „Die Technologiebrille muss abgenommen und quasi ein Weitwinkelobjektiv in Richtung künftiger Kundensegmente aufgesetzt werden“, rät Camuso.

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