5G
20.08.2018
Neuer Mobilfunkstandard
1. Teil: „Deutschland auf dem Weg ins 5G-Zeitalter“

Deutschland auf dem Weg ins 5G-Zeitalter

5G5G5G
jamesteohart / Shutterstock.com
5G soll den Mobilfunk revolutionieren und neue technische Möglichkeiten für das Internet of Things bereithalten – doch wie sieht der Zeitplan für Deutschland aus?
  • 5G-Prognose: 2023 soll es weltweit rund 1 Milliarde 5G-Anschlüsse geben - hauptsächlich in der Asien-Pazifik-Region.
    Quelle:
    Ericsson, Angaben in Mio.
Die Mobilfunkwelt steht vor einer großen Veränderung: Wenn mit 5G die nächste Generation der Netze in wenigen Jahren eingeführt wird, soll das nicht nur auf Netzbetreiber und Hardware-Hersteller Auswirkungen haben, sondern ganze Industrien und Bereiche der Gesellschaft grundlegend verändern. Schlagwörter wie Internet of Things (IoT), Smart Wea­rables, Virtual und Augmented Reality werden in der aktuellen Debatte oft mit 5G verknüpft.
Doch bei aller Euphorie gibt es viele offene Fragen, an denen sich zeigt, dass die schöne Mobilfunkzukunft nicht so einfach zu erreichen sein wird, wie manche denken. Es geht zum Beispiel darum, die regulatorischen Bedingungen für die zukünftige Mobilfunklandschaft in Deutschland und die damit verbundene Frequenzvergabe sowie die Finanzierung des Netzaufbaus zu gestalten. Aber auch die konkrete technische Umsetzung von 5G muss noch Probleme lösen, wie erste Feldversuche jetzt zeigen. Das ist zumindest keine Überraschung, denn es ähnelt den Schwierigkeiten, die es schon bei der Einführung von UMTS/3G und LTE/4G gab. Der große Unterschied besteht bei 5G – im Gegensatz zu früheren Generationen, die sich vor allem mit begrenzten technischen Hürden zu befassen hatten – in den deutlich erweiterten neuen Geschäftsmodellen, die ebenfalls noch entwickelt werden müssen.
Neben den großen Chancen, die 5G bietet, gibt es auch Risiken und Probleme, die ein solches Vorhaben unweigerlich mit sich bringt. Denn egal, ob man 5G positiv oder negativ betrachtet: Die neue Technologie wird weltweit in wenigen Jahren kommen und zum Standard werden. Deutschland kann sich dieser Entwicklung nicht verschließen, wenn es wettbewerbsfähig bleiben will.

5G: Herausforderungen

Die potenziellen Bremsen im Netz werden bei 5G ähnlich herausfordernd sein wie bei LTE/4G: Vor allem in Ballungsräumen mit vielen Nutzern und einer dichten Bebauung, die die Si­gnale behindert, werden Tempoverluste wohl weiter ein Problem darstellen. Besser als bisherige Generationen wird 5G hier vor allem durch die parallele Nutzung vieler verschiedener Frequenzbänder, die je nach Bedarf der Anwendung erfolgt und in der Regel über ein multimodales Endgerät realisiert wird, die Versorgung gewährleisten.
Zugrunde liegt dem breit genutzten Frequenzspektrum ein physikalisches Gesetz: Je höher die Frequenz, desto höher fällt die Geschwindigkeit bei abnehmender Reichweite aus. Der niedrige Bandbereich um 700 MHz, der bis März 2017 hierzulande noch von DVB-T der ersten Generation belegt wurde, könnte das untere Ende der Skala ausmachen, wenn er künftig für 5G bereitgestellt wird. Allerdings ist es auch möglich, dass 700 MHz zunächst zusätzlich für LTE/4G zur Verfügung steht. Für Anwendungen mit geringen Anforderungen an die Latenzzeit und das Übertragungstempo ist 700 MHz eigentlich ideal. Das sind zum Beispiel Sensoren in Gebäuden, die nur wenige KByte an Daten übertragen müssen, aber vom Durchdringen der Signale auch durch dicke Wände profitieren. Die Versorgung von großen Flächen auf dem Land durch eine Zelle ist ebenfalls möglich.
Tabelle:

Über 700 MHz folgen die Bänder von 1 bis 6 GHz, in denen mobiles Breitband und Anwendungen laufen werden, die besonders zuverlässig funktionieren sollen. In diesem Bereich liegen die heutigen LTE-Frequenzen. Auch die Sprachtelefonie über 5G könnte hier angesiedelt werden. Diese wird aber wohl kaum am Anfang genutzt werden, sondern wie bei LTE/4G später dazukommen. Viele Netzbetreiber werden dagegen Voice over LTE in den nächsten Jahren noch ausbauen.
Auf den weiteren Frequenzen über 6 GHz, die bis 32 GHz reichen, werden vor allem sehr schnelle Übertragungsgeschwindigkeiten bei geringer Reichweite und Inhouse-Durchdringung ermöglicht. Um hier eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, muss ein großes Netz von Sendesta­tionen bestehen.
Über die Nutzung vieler Antennen (Massive MIMO – Multiple Input Multiple Output) mit bis zu 128 Stück in den Sende- und Empfangsmodulen kann die Leistung von 5G-Netzen erheblich erhöht werden. Zudem erlaubt Beamforming die gezielte Ansteuerung einzelner Geräte der Nutzer mit weniger Streuverlusten, wie sie bisher mit einem Signal, das vom Sender für alle ausgestrahlt wurde, der Fall waren. Die MIMO-Technologie ist nicht neu, sie kommt unter anderem bereits bei LTE/4G und WLAN zum Einsatz, die Zahl der möglichen Antennen wird jedoch bei 5G deutlich erweitert.
Die Nutzung mehrerer Antennen und damit das Bereitstellen verschiedener alternativer Übertragungswege dient auch der Zuverlässigkeit der Übertragungen, die bei 5G gegenüber LTE/4G noch einmal deutlich besser werden soll. Denn für viele geplante Anwendungen, zum Beispiel Telemedizin oder autonomes Fahren, wären schon kleinste Netzaussetzer fatal.
2. Teil: „Zeitplan für 5G“

Zeitplan für 5G

Die deutschen Netzbetreiber und die meisten Analysten rechnen frühestens für das Jahr 2020 mit einem kommerziellen Start der neuen Technologie in Deutschland. In einigen anderen Ländern wie Südkorea könnte es schon 2019 losgehen.
Obwohl die große Bedeutung der neuen Technologie von Vertretern aus Politik und Wirtschaft immer öfter betont wird, liegt Deutschland kaum an der Spitze der weltweiten Entwicklung bei der Einführung. Der im Februar 2018 geschlossene Koali­tionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD erwähnt 5G als wichtigen Punkt auf dem Weg für die bis 2025 angestrebte „Gigabit-Gesellschaft“, doch konkrete Ziele zum Aufbau formuliert er nicht, etwa was die Abdeckung in der Fläche oder der Bevölkerung betrifft. Zudem wird 5G nicht immer klar von anderen festnetzorientierten Zugangstechnologien getrennt: Die bis zu 12 Milliarden Euro, die als Breitbandförderung bereitgestellt werden sollen, schließen auch den Glasfaserausbau als Festnetztechnologie mit ein. Laut Regierung soll Deutschland ein weltweiter „Leitmarkt“ für 5G werden.
Die wachsende Kluft zwischen den Weltregionen zeigt sich deutlich in der Zahl und dem Umfang der Feldversuche für 5G: Bei den Olympischen Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang führte eine Kooperation von Samsung, Intel und Korea Telecom umfassende 5G-Trials durch. Dort wurden mit der neuen Technologie Videos mit 4K-Auflösung auf ein Tablet von Samsung gestreamt, auch konnte man 360-Grad-Live-Videos vom Bobfahren sehen. Erreicht wurde eine Download-Geschwindigkeit von 3,7 GBit, allerdings hatte das Tablet trotz seines üppig dimensionierten 8000-mAH-Akkus Probleme mit einem hohen Stromverbrauch und entsprechend kurzen Laufzeiten. Außerdem gab es im verwendeten 28-GHz-Band erhebliche Störungen, sobald Basisstation und Endgerät sich selbst in der gleichen Halle etwas mehr voneinander entfernten.
  • 5G-Frequenzbereiche: So sieht die derzeit geplante Verteilung der Mobilfunkfrequenzen für den neuen 5G-Standard aus.
    Quelle:
    Bild: Bundesnetzagentur, Roland Berger
Der für das Jahr 2020 von den drei großen deutschen Netzbetreibern angepeilte kommerzielle 5G-Start wird wohl erst auf schwachem Niveau in Städten und Ballungsräumen beginnen und dann in einem nächsten Schritt die Bereiche entlang der Hauptverkehrswege wie ICE-Trassen und Autobahnen einbinden. Die Bundesregierung spricht auch von fünf Fokusregionen. Bis es auf diese Weise eine flächendeckende 5G-Versorgung in Deutschland gibt, könnten noch viele Jahre vergehen. Die Analysten von Roland
Berger rechnen für das Jahr 2025 mit einer 30-prozentigen Netzabdeckung in der Fläche.
Nicht einfacher wird der 5G-Aufbau durch eine Vorbedingung: So muss für die Anbindung der Mobilfunkinfrastruktur wie der Basisstationen ebenfalls das Festnetz immer weiter mit schneller Glasfaser ausgebaut werden. Denn auch ein 5G-Netz ist nur dann effizient, wenn es als Luftschnittstelle das Breitbandnetz hin zum Kunden erweitert. Die Zahl der aktuell zu versorgenden rund 75.000 Mobilfunk-Basisstationen in Deutschland dürfte steigen, da gerade die hohen 5G-Frequenzen nur eine geringe Flächenabdeckung aufweisen.
Da sich die schlecht versorgten Gebiete mit Glasfaser und schnellem Mobilfunk zudem oft überschnitten haben, multiplizierten sich die Defizite geradezu. Unabhängig von diesen Fragen laufen bereits dieses Jahr hierzulande erste Feldversuche zu 5G an. Weil die Innovationen sich nicht wie bei vergangenen Technologien vorwiegend auf den Bereich der Sprach- und Datenkommunikation beschränken werden, sondern deutlich vielfältiger sind, könnten dabei auch mehr Probleme auftreten. Positiv erscheint aber, dass insbesondere die Geschäftsmodelle und Prozesse bereits mit Übergangstechnologien wie 4,5G oder Narrowband-IoT getestet und im Hinblick auf 5G weiterentwickelt werden können.
  • Quelle: Roland Berger
Parallel zu den zu gewinnenden technischen Erkenntnissen über 5G ist es nötig, Bedingungen für die Frequenzvergabe, die wahrscheinlich noch dieses Jahr wieder in Form einer Auktion stattfinden wird, zu definieren. Außerdem muss die Bundesnetzagentur schnell vorläufige Frequenzen für umfassende Feldversuche benennen. Allerdings will die Internationale Fernmeldeorganisation ITU die weltweiten Standards erst in einer Konferenz im Jahr 2019 festlegen. Bis dahin scheinen die EU und die Bundesnetzagentur  die Bandbereiche 2,4 bis 3,8 GHz und 24,25 bis 27,50 GHz als sogenannte Pionierbänder anvisiert zu haben. Weitere Frequenzen um 2 GHz, die aktuell noch von UMTS/3G genutzt werden, werden 2020 und 2025 frei. Möglicherweise können sie angesichts der rechtlich technologieneutralen Ausgestaltung aber auch schon schneller anders verwendet werden, wenn einige Netzbetreiber wie aktuell die Telekom die Abschaltung der alten UMTS/3G-Technik vorantreiben.
Eine wichtige Rolle spielen die Frequenzbänder oberhalb von 24 GHz (26, 28 und 32 GHz), die aktuell von breitbandigen Diensten wie Richtfunk oder Satellitenfunk genutzt werden, aber von der Bundesnetzagentur als für 5G benötigt identifiziert wurden. In diesen Bereichen steht ein besonders hohes Übertragungstempo etwa für hochauflö­sende Videos bereit. Gerade diese Frequenzspektren werden deshalb in China und den USA massiv von staatlicher Seite gefördert.
Wie bei vorherigen Mobilfunkgenerationen wird es nach dem Start Jahre dauern, bis 5G voll ausgebaut und funktionsfähig ist. Deshalb wird LTE/4G auch in den 2020er-Jahren das dominante Netz darstellen und durch den ebenfalls weiter stattfindenden Ausbau und die Weiterentwicklung mit Gigabit-Geschwindigkeit in den Gebieten zur Verfügung stehen, die 5G noch nicht erreicht hat. Als Backup und Ausweichmöglichkeit werden LTE/4G-Netze außerdem weiter dienen. Zum Beispiel hat die Nutzung von Sprachtechnologie hier mit Voice over LTE ge­rade erst in größerem Maßstab begonnen.

mehr zum Thema