08.04.2020
Leistungsverzögerungen
Corona und die Rechtslage
Autor: Nils Müller
ffikretow / shutterstock.com
Die Corona-Krise hält Land, Leute und vor allem die Wirtschaft weiterhin in Atem. Wir klären, was gilt, wenn Leistungen nicht oder erst später erbracht werden können.
Die fortschreitende Ausbreitung des Coronavirus wurde zur Pandemie erklärt. Viele Staaten haben Reisewarnungen ausgegeben oder gar Einreiseverbote verhängt. Unternehmen schränken ihre Tätigkeiten stark ein, um Ausbreitung und Infektionen vorzubeugen. Ergebnis sind schwere Beeinträchtigungen nationaler und internationaler Handelsbeziehungen.
Nachfolgend werden aktuelle Schwierigkeiten und mögliche Rechtsfolgen nach deutschem Recht dargestellt, die auf sämtliche Vertragsbeziehungen auch in einer IT-Supply-Chain zutreffen können, zum Beispiel, wenn ein vertraglich geschuldeter 24/7-Support aufgrund von Personalmangel nicht möglich ist.
Muss der Vertragspartner wie vereinbart leisten? Ist aufgrund des Coronavirus die Leistungserbringung nicht möglich oder erschwert, kann sich der Vertragspartner regelmäßig auf vorübergehende Unmöglichkeit, grobe Unverhältnismäßigkeit oder auf eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Es entfällt die Leistungspflicht, wenn diese für den Vertragspartner objektiv unmöglich ist. Dieser Themenkomplex wird oft als „Force Majeure“ oder „höhere Gewalt“ bezeichnet. Jedenfalls steht dem Leistungserbringer zumindest ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn die Leistung mit einem Mehraufwand verbunden ist, der sich in Relation zum Leistungsinteresse des Empfängers der Leistung als grob unverhältnismäßig darstellt – dies ist leider nicht pauschal zu beantworten, sondern muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Daneben wird der Leistungserbringer die Anpassung des Vertrags verlangen können, wenn sich hinsichtlich der Leistungserbringung wesentliche Umstände geändert haben. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn alternative Beschaffungspreise wesentlich erhöht sind. Ist eine Vertragsanpassung hingegen nicht möglich, so kann der Vertragspartner den Vertrag kündigen oder zurücktreten.
Muss der Kunde den vollen Betrag zahlen? Nein. Ist dem Leistungserbringer die Erfüllung seiner Verpflichtung endgültig unmöglich oder beruft er sich auf Unverhältnismäßigkeit, so wird auch der Kunde von seiner Zahlungsverpflichtung frei. Allerdings ist auf anderweitige vertragliche Absprachen zu achten, die in der Regel vorgehen werden.
Kann der Leistungsempfänger Schadensersatz verlangen? Die Pflicht zum Schadensersatz tritt nur ein, wenn die Vertragspartei die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Sind für die Nichterfüllung der Vertragspflichten allein Gegebenheiten ausschlaggebend, die auf die Auswirkungen des Coronavirus zurückzuführen sind, so stellt dies keinen Fall von schuldhafter Herbeiführung dar, sondern einen Fall „höherer Gewalt“. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vertragspartei nicht zusätzlich eigene Maßnahmen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit versäumt hat.
Es ist deshalb für Unternehmen insbesondere zu empfehlen, frühzeitig mögliche Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen und zu dokumentieren, um im Nachhinein Streitigkeiten über ein mögliches Vertretenmüssen zu vermeiden. Solche Maßnahmen können etwa das Bemühen um alternative Bezugsquellen oder rechtzeitige Quarantänevorkehrungen für Mitarbeiter in Produktionsstätten sein.
Achtung: Sofern UN-Kaufrecht gilt, können die Rechtsfolgen anders sein. UN-Kaufrecht findet keine Anwendung, wenn die Vertragsparteien die Geltung des UN-Kaufrechts vertraglich ausgeschlossen haben. Dies ist in der Praxis häufig der Fall.
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