02.06.2020
Start-up-Porträt
1. Teil: „Copy Data Management in Zeiten der Cloud“
Copy Data Management in Zeiten der Cloud
Autor: Hartmut Wiehr
mamanamsai / shutterstock.com
Das Start-up Actifio bietet Automatisierung und Data as a Service für die Unternehmen. Das Unternehmen fand seine Anfänge 2009 in den USA und beschäftigt gegenwärtig rund 430 Mitarbeiter.
Es gibt Unternehmen, die gibt es eigentlich gar nicht. Sie sind zumindest nicht nach außen sichtbar. Still und manchmal fast schon klammheimlich gehen sie ihren Aktivitäten nach, lange unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit. Zu dieser Gruppe gehört Actifio. Gegründet wurde das Unternehmen, das heute knapp 430 Mitarbeiter beschäftigt, 2009 von Ash Ashutosh in den USA mit der Zentrale in Waltham, Massachusetts. Im Lauf der Jahre kamen Niederlassungen in Singapur, Schanghai, Hyderabad, Tokio, Frankfurt, London, Mailand, Sydney und Melbourne hinzu. Die Kundenbasis setzt sich neben kleineren Firmen aus über 3.800 größeren Unternehmen und Service-Providern zusammen.
Actifio hat in einer für die Branche ungewöhnlich langen Kette von Finanzierungsrunden mehr als 300 Millionen Dollar eingenommen. Zu den Investoren zählen 83North, Advanced Technology Partners, Andreessen Horowitz, Crestline Investors, North Bridge Venture Partners, Heritage Group, Technology Crossover Ventures und Tiger Global Management. Ein Börsengang war offenbar geplant, wurde aber bisher nicht realisiert. Der Firmenwert wurde schon 2014 auf 1,1 Milliarden Dollar geschätzt, womit das relativ junge Unternehmen zu den privat gehaltenen Einhörnern der Speicheranbieter zählt - einer Liga, zu der auch Acronis, Cohesity, DDN, Infinidat, Rubrik oder Veritas gehören.
Brian Garrett, Analyst beim Beratungsunternehmen ESG, beschreibt das Konzept von Actifio im Report „Data-driven DevOps with Actifio and IBM Cloud Object Storage“ so: „Actifio unterstützt datengesteuerte Unternehmen mit seiner Plattform für Copy Data Management, mit der die IT Daten as a Service verarbeiten kann. Die Technologie von Actifio liefert SLA-basierte Automatisierung für Anwendungen, die das Management der Data Pipeline für das DevOps-Team entkoppelt. Dies erlaubt es den IT-Teams, je nach Bedarf virtuelle Kopien der produktiven Daten für die Entwicklung von Anwendungen, für Tests und für Analytics zu erzeugen. Actifio sorgt für das Management der Daten durch eine einzige Plattform, in deren Mittelpunkt eine ,Golden Copy’ der produktiven Daten steht.“
Der Kopf hinter Actifio
Actifio-CEO Ashutosh blickt auf eine über 25-jährige Karriere in der Storage-Industrie zurück. Er arbeitete zuletzt bei dem Risikokapital-Unternehmen Greylock Partners und davor unter anderem als Chief Technologist für HP Storage und als Senior Vice President für StorageNetworks, dem ersten Storage-Service-Provider. Er gründete Serano Systems, Anbieter von Fibre-Channel-Controllern (1999 von Vitesse Semiconductor gekauft), und AppIQ, Spezialist für Storage Resource Management (2005 von HP gekauft).
Seine Vision für Actifio beschreibt Ashutosh im Wirtschaftsmagazin „Fortune“ 2014 so: „Unternehmen waren es gewöhnt, ihre Produkte auf der Basis persönlicher Beziehungen zwischen Verkäufern der Hersteller und Managern ihres Unternehmens zu besorgen. Aber inzwischen orientieren sie sich mehr an den Geschäftszahlen: Wie viel können wir mit diesen Lösungen einsparen? Und wir können genau diese besseren Geschäftsergebnisse bieten - wir können Daten überall, On-Premise und in der Cloud, wiederherstellen, wir verfügen über eine besonders einfache Schnittstelle für die Kunden und wir können alles zu zehnmal niedrigeren Kosten anbieten als die Konkurrenz.“
Actifio gibt es in drei Varianten: als Hardware-Appliance (CDS/CDX), Software-only- Angebot (Actifio Sky) und SaaS (Actifio GO). Das gemeinsame Ziel ist es laut Ashutosh, den Unternehmen mit der Konzentration auf das Kopieren von Daten den Übergang in die Digitalisierung zu erleichtern. Die Daten befänden sich heute gleich mit mehreren Kopien und geringfügigen Varianten in einem riesigen, ungeordneten Data Lake und würden deshalb x-mal gespeichert. Unternehmen, die diese Situation mit der Technologie von Actifio angingen, könnten das damit verbundene Chaos eingrenzen und zugleich Risiken senken und Kosten sparen.
2. Teil: „Copy Data Management“
Copy Data Management
Die Innovation von Actifio rief 2014 sofort eine Reaktion des damaligen Storage-Marktführers hervor. David Goulden, zu dieser Zeit Chief Operating Officer von EMC, kündigte eine neue „Data Protection & Availability Division“ an, die sich ebenfalls auf CDM stützen sollte. Wie der Analyst George Crump von StorageSwiss 2016 anmerkte, hat EMC bei Storage fast nie eine Gelegenheit ausgelassen, ein neu aufkommendes Feld zu besetzen. So auch bei Copy Data Management. Und zwar gleich mit zwei Varianten: einmal als Integrated Copy Data Management (iCDM) und zum anderen als Enterprise Copy Data Management (eCDM). iCDM sollte das Problem der ungezügelten Vermehrung von Datenkopien direkt auf All-Flash-Plattformen als
XtremIO Virtual Copies oder bei VMAX-SnapVX-Scale-out-Plattformen lösen. Dabei sollte auch AppSync von EMC zum Einsatz kommen. Heute bietet Dell EMC Enterprise Copy Data Management als Lösung für Protection Compliance an (ohne die Abkürzung eCDM), während iCDM weiter die „Konsolidierung von primären Daten und mit ihnen verbundenen Kopien auf dem gleichen Scale-out-All-Flash-Array und die benötigte hohe Performance“ gewährleisten soll.
XtremIO Virtual Copies oder bei VMAX-SnapVX-Scale-out-Plattformen lösen. Dabei sollte auch AppSync von EMC zum Einsatz kommen. Heute bietet Dell EMC Enterprise Copy Data Management als Lösung für Protection Compliance an (ohne die Abkürzung eCDM), während iCDM weiter die „Konsolidierung von primären Daten und mit ihnen verbundenen Kopien auf dem gleichen Scale-out-All-Flash-Array und die benötigte hohe Performance“ gewährleisten soll.
Wie Crump schon 2016 analysierte, beschränkte sich die Lösung von EMC (jetzt Dell EMC) auf Funktionen im Hintergrund, um die verschiedenen Datenkopien nicht überhandnehmen zu lassen. Der eigentliche CDM-Ansatz, wie ihn auch Actifio pflegt, will dagegen die bestehenden Prozesse, mit denen zahlreiche Datenkopien erzeugt werden, ersetzen. Bei Actifio ist man überzeugt, dass es gelungen sei, den Markt für CDM zu besetzen und sich gegen das große Dell EMC zu behaupten.
3. Teil: „CDM und die Cloud“
CDM und die Cloud
Der technologische Ansatz von Actifio ist längst über das reine Copy Data Management hinausgewachsen. Man bezeichnet sich heute lieber als „Multi-Cloud- und Data-as-a-Service-Unternehmen“. Damit bewegt sich Actifio zunehmend in dem Umfeld von Konkurrenten wie Cohesity, Delphix und anderen aus dem Data-Management-Spektrum.
Actifio unterscheidet vier Bereiche, in denen man für bestimmte Gruppen von Kunden jeweils angepasste Services liefert. Dazu gehören:
Globale Anbieter von Finanzdienstleistungen: App-Modernisierung mit Orchestrierung in bisher zwölf Rechenzentren in Nordamerika, EMEA und Asien-Pazifik sowie in AWS-Regionen. Das Ziel sind schnellere App-Releases, globale Erweiterungen sowie ein um 90 Prozent schnellerer Datenzugang und Kontrolle.
Globale Anbieter von Konsumgütern: Risikoreduktion durch sofortigen Datenzugang um 90 Prozent bei Recovery von Datenbanken im Multi-Terabyte-Bereich.
Top-3-Anbieter von Enterprise-Software: Verbesserte Workloads und globale Kontrolle bei Multi-Cloud Data Management (Provider: AWS, Azure, Google und Alibaba). Geboten werden Array-Snapshots, DB Dumps (Auszüge aus Datenbanken), Log-Shipping und weitere Workloads.
Global aktive Fluggesellschaften: Kostenreduktion durch Virtualisierung und Instant Recovery. Auto-Tiering zwischen Block-, Block/Object- und Object-Daten. Geliefert werden ferner verbesserte Governance und Datensicherheit.
Das erweiterte Copy Data Management stützt sich bei Actifio heute auf die „Virtual Data Pipeline“-Technologie (VDP). Die VDP sammelt Daten von Anwendungen, Datenbanken, Tools, VMware und sonstigen Workloads im Rechenzentrum sowie in Private und Public Clouds ein. Von jeder Datenquelle wird eine einzige Master Copy angefertigt, wobei nachträgliche Änderungen auf Block-Niveau verfolgt und inkrementell in die Master-Kopien eingefügt werden. Für Zwecke wie Dev/Test, Analytics oder Security können Arbeitskopien in beliebiger Anzahl gezogen werden. Anwender können Policies für bestimmte Workflows definieren und für neue Aufgaben frische Datenkopien anfordern.
Da immer nur die „goldene“ Kopie gespeichert wird, reduziert sich die Speichermenge drastisch - was Backup und Recovery vereinfacht und zu permanenten Kostensenkungen führt. Actifio ist es gelungen, sein Modell bisher bei Amazon AWS, IBM Cloud, Google Cloud, Microsoft Azure, Oracle Cloud und Alibaba Cloud unterzubringen. Damit arbeiten wesentlich mehr Unternehmen mit seiner Technologie als nur die Direktkunden. Mit IBM InfoSphere Virtual Data Pipeline ist darüber hinaus eine OEM-Version im Einsatz, mit der sich Actifio auf die Arbeit von mehreren Tausend Sales-Mitarbeitern von IBM stützen kann. Und es gibt auch eine Version der Actifio-Software für z/OS, das Betriebssystem für die Mainframes von IBM.
Mit der Virtual Appliance Actifio Sky, die sich auf VDP stützt, erhalten Kunden außerdem ein Werkzeug, um Copy Data Management in Multi-Cloud-Umgebungen anzuwenden. Der Zugriff auf die Golden Copy kann von überall aus erfolgen. Mit Data Pipelining werden Mobilität der Daten und ein schnelles Recovery für jede Location zur Verfügung gestellt.
4. Teil: „Actifio 10c“
Actifio 10c
Cloud, Container und Copy Data. Actifio konzentriert sich mit 10c auf Backup als Mittel, um Daten für Archivierung, Disaster Recovery, Migration und Copy Data in und zwischen Public Clouds und On-Premise-Umgebungen zu verwenden. Auf der IT Press Tour vergangenen Dezember im Silicon Valley betonte Ashutosh: „Copy Data beginnt mit Backup - und setzt sich dann bis zur Archivierung von Daten fort. Mit Actifio 10c sind ein schneller Zugang zu den Daten und ihre Wiederverwendung möglich.“ Für Ashutosh geht Disaster Recovery letztlich auf Metadaten zurück, und mit 10c sei ein Recovery mit einem einzigen Klick möglich.
Ende 2019 hat Actifio ein größeres Update seines Copy Data Managements vorgestellt: 10c steht für 10c sichert On-Premise-Daten als Object Storage in der Cloud und unterstützt zurzeit sieben Public Clouds: Alibaba, AWS, Microsoft Azure, Google Cloud, IBM Cloud, Oracle Cloud und VMware in Kooperation mit einer Cloud. Die Objects von Actifio können für das schnelle Recovery von virtuellen Maschinen benutzt werden.
10c speichert Datenbanken-Backups in der Cloud unter ihrem ursprünglichen Format und kann eine Kopie herstellen. Laut Actifio erhalten Nutzer so die Möglichkeit, in der Cloud Anwendungen zu entwickeln und zu testen. Nutzer und Tester können Programme wie Ansible, Chef, Git, Jenkins oder Maven einsetzen und mit einer 10c-API neue Duplikate erzeugen. Die Software von Actifio schickt dann Datenbanken-Kopien aus den Backups zu Containern der Entwickler und Tester, die auf den Cloud-Umgebungen von AWS, Azure, Google Cloud und IBM Cloud laufen.
Außerdem bringt 10c einfache Lösungen für Backup und Recovery von SAP HANA, SAP ASE, DB2 und MySQL sowie externen Snapshot-Support für Arrays von Pure Storage und IBM Storwize. Alle Objects von Actifio enthalten auch ihre Metadaten, was das Verschieben zwischen verschiedenen Clouds erleichtert. Ashutosh zufolge ist es nicht möglich, mit einer abgetrennten Datenbank für die Object-Metadaten Anwendungen zu skalieren, obwohl einige Storage-Hersteller es mit einem solchen Ansatz versuchen würden.
Ashutosh betont die erhöhte Geschwindigkeit von 10c: Actifio könne von einer Oracle-Datenbank auf Object-Basis mit 17 Terabyte mehrere Kopien mit insgesamt 50 Terabyte in nur acht Minuten erzeugen und fünf Test-Entwicklern zur Verfügung stellen. Auch könne man fünf produktive Kopien im Blockformat in 13 Minuten herstellen. IBM beschreibt diese Technologie im erwähnten Paper „Data-driven DevOps with Actifio and IBM Cloud Object Storage“.
5. Teil: „Wie man ein Start-up vorantreibt“
Wie man ein Start-up vorantreibt
Dass Actifio sich Schritt für Schritt am Storage-Markt durchgesetzt hat, lag sicher nicht zuletzt an den Erfahrungen von Ashutosh - als Manager und als Gründer, der Firmen erfolgreich verkauft hat. Ashutosh selbst betont, dass man gezielt erfahrene Leute verpflichtet habe - darunter „acht ehemalige CEOs“ - ein Punkt, der bei zu technikverliebten Start-ups häufig übersehen werde.
Für die nächste Zeit plant Actifio, seine Kundenbasis kontinuierlich zu vergrößern, vor allem durch große, global aktive Unternehmen. Damit könne Actifio mittleren und kleinen Unternehmen beweisen, dass es keine Risiko sei, mit einem Start-up zusammenzuarbeiten. Denn gerade die großen Kunden vergewisserten sich sehr genau, wie es um die Überlebenschancen eines Start-ups stehe.
Actifio zählt inzwischen an die 4.000 größere Enterprise-Kunden in 38 Ländern, 2014 waren es erst 300 gewesen. Man geht inzwischen von einem Total Addressable Market (TAM) von über 50 Milliarden Dollar aus, während 2014 noch von 44 Milliarden Dollar die Rede war. Top-Enterprise-Kunden sind zum Beispiel HBO, Netflix, Time Warner Cable, Sanofi, Cole-Haan, KKR, McKesson, Dassault Systems sowie viele staatliche Organisationen auf lokaler, regionaler oder gesamtstaatlicher Ebene. Erfolgsgeschichten auf der Actifio-Webseite bieten Interessenten hilfreiche Einblicke.
Zu den Resellern gehören IBM mit Virtual Data Pipeline (basiert auf Software von Actifio), Lenovo, Hitachi sowie NEC in Japan. Zu Dell EMC unterhält Actifio ebenfalls „freundschaftliche Beziehungen“, wie sich Ashutosh ausdrückt. Die PowerProtect-Arrays von Dell EMC (früher Teil der übernommenen Speicherfirma Data Domain) verfügen jetzt über die Funktionen von Actifios Copy Data Management. Wie es bei Actifio heißt, wurde dieser Deal durch einen ehemaligen Data-Domain-Kunden eingefädelt. Brian Reagan, Chief Marketing Officer bei Actifio, berichtet: „Der Kunde brauchte eine integrierte skalierbare Lösung, die seine globale Infrastruktur unterstützen sollte. Für Actifio und Dell war das eine gute Gelegenheit zur Kooperation.“
Laut Peter Levine, General Partner bei Andreessen Horowitz, einer der Venture-Capital-Firmen, die massiv in Actifio investiert haben, passt Actifio perfekt zu dem allgemeinen Trend der IT in Richtung hybride Cloud: „Hybride und Multi-Clouds müssen zusammenarbeiten, um Daten ohne Verzögerung zwischen den verschiedenen Standorten zu verschieben. Actifio war anfangs seiner Zeit voraus. Nun hat es eine wichtige Position bei der Entwicklung eines neuen Layers auf der Software-Seite inne. Where software eats the world, data eats software.“
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