Cloud
18.08.2016
Marktüberblick
1. Teil: „Cloud-Dienstleister von Amazon bis SAP“

Cloud-Dienstleister von Amazon bis SAP

Cloud verbunden mit PC, Smartphone, Tablet und DesktopCloud verbunden mit PC, Smartphone, Tablet und DesktopCloud verbunden mit PC, Smartphone, Tablet und Desktop
turgaygundogdu / Sutterstock.com
Amazon, Google, Microsoft, IBM, Oracle oder doch SAP? com! professional zeigt, welcher IT-Riese in der Cloud die Nase vorn hat und das beste Paket für Unternehmen schnürt.
Die vier größten Software-Unternehmen der Welt auf­zuzählen, fällt nicht schwer: Microsoft, IBM, Oracle und SAP. Zusammen nahmen die vier Marktführer im Geschäftsjahr 2015 schätzungsweise 140 Milliarden Dollar ein. Doch die Cloud wird die mächtigen Vier kräftig durcheinanderwirbeln. Herausforderer wie Amazon und Google sind heute schon ernstzunehmende Rivalen. Die Innovationskraft, die Strategie und ein starkes Ökosystem werden über die Zukunft entscheiden. Bei welchen Cloud-Anbietern sind Kunden heute gut aufgehoben? Wer deckt welche Bedürfnisse am besten ab? Und wie sieht es in fünf Jahren aus?

Amazon ist auch in Europa top

Amazon ist Marktführer im Bereich Infrastructure as a Service, hat aber auch sein Software-Angebot stark ausgeweitet. Der ehemalige Online-Buchhändler wuchs im Jahresvergleich um 80 Prozent und setzte 2015 in der Cloud mehr als 7 Milliarden Dollar um. Der operative Gewinn mit der Cloud hat sich im letzten Quartal mehr als verdreifacht. Amazon ist damit der aktuelle Spitzenverdiener und wird es auch in Zukunft bleiben. Dieses Jahr würden die Amazon Web Services (AWS) erstmals die Umsatzschwelle von 10 Mil­liarden Dollar knacken, schrieb Amazon-Chef Jeff Bezos in einem Brief an die Aktionäre.
Zum Kundenstamm in Europa gehört zum Beispiel die „Neue Zürcher Zeitung“, die mit Hilfe der AWS ihre operativen IT-Kosten um 50 Prozent reduziert hat. Oder Novartis: Für eine pharmakologische Analyse hätte der Konzern 50.000 Rechnerkerne benötigt, die inhouse rund 37 Millionen Euro gekostet hätten. Für 87.000 Amazon-Rechenkerne fielen dagegen lediglich 3900 Euro an. Die Analyse dauerte neun Stunden und hat aus 10 Millionen Substanzen drei passende herausgefiltert.
„Wir haben uns für Amazon Web Services entschieden, weil ich endlich mal wieder ausschlafen wollte“, so Alexander Gundlak von der Luxushotelgruppe Kempinski. 2011 hatte Gundlak zwei eigene Rechenzentren in Genf und Frankfurt am Hals und überlegte, wie es weitergeht. Denn die Kosten waren signifikant. Dann kam die Cloud. Versuchsweise lagerte Gundlak die Mail-Dienste aus und abonnierte die Google Apps. Ergebnis: „Wir sind in der Google-Cloud und die Welt dreht sich immer noch.“ Von dieser angenehmen Erfahrung ermutigt, wagte sich Kempinski weiter vor Richtung Amazon. Heute laufen 45 Server der Hotelgruppe auf AWS. Als wichtigste Vorteile nennt Gundlak die schnelle Skalierbarkeit und die hohe Flexibilität. Aus Compliance-Gründen sei es wichtig, dass die Daten den EU-Raum nicht verlassen. Amazon könne das garantieren.
2. Teil: „Microsoft - Hyperscaling zählt“

Microsoft - Hyperscaling zählt

Microsoft setzte 2015 in der Cloud 5 Milliarden Dollar um, vor allem durch Office 365 und Azure. Damit steht Microsoft an zweiter Stelle hinter Amazon. Die Analystenfirma FBR Capital Markets schätzt, dass Redmond 2016 bereits über 8 Mil­liarden Dollar Umsatz machen könnte.
Wer in Zukunft in der Cloud das Sagen hat, wird sich vor allem an der Software-Entwicklerfront entscheiden. Mit PaaS-Angeboten (Platform as a Service, also Entwickler-Frameworks in der Cloud) basteln Programmierer Branchenlösungen und Add-ons, mit denen Kunden die standardisierte Cloud-Software ergänzen und besser auf ihre Bedürfnisse zuschneiden können. Und Microsoft kann auf Millionen von .NET-Entwicklern zählen, die nur darauf warten, in die Azure-Cloud zu migrieren. Das Potenzial ist immens.
Heineken hatte ein ganz besonderes Anliegen: Der niederländische Bierhersteller suchte eine hochskalierbare Cloud-Plattform, auf der gleichzeitig eine Million Spieler virtuell gegeneinander antreten können. Anlass der globalen Marketingkampagne, die weltweit in mehr als 70 Ländern starten sollte, waren die Fußballspiele der Champions Lea­gue. Anfangs zog Heineken AWS in Betracht, entschied sich dann aber für Microsoft Azure. Das scheint die richtige Entscheidung gewesen zu sein, denn die durchschnittlichen Latenzzeiten lagen zwischen 200 und 300 Millisekunden.
Durch Hyperscaling à la Heineken sieht Marc Holitscher, CTO und Geschäftsleitungsmitglied von Microsoft Schweiz, sein Unternehmen im Vorteil. Microsoft betreibt weltweit 1 Million physische Server in mehr als 100 Rechenzentren. Laut Holitscher spielt man damit in derselben Liga wie Amazon und Google, die alle maximal skalieren könnten. Der Rest der Konkurrenz sei auf einem anderen Niveau unterwegs.
Aber brauchen kleinere Azure-Kunden wie etwa ein Tierpark weltweites Hyperscaling? Eigentlich nicht. Die Analysten von Gartner geben Microsoft denn auch den Rat, sich nicht auf Nebenschauplätzen zu verausgaben. Insbesondere das Ziel, mit Amazon zu konkurrieren, koste unnötig Kraft, meint Gartner. Stattdessen solle Microsoft das Naheliegende tun und zum Beispiel sein SaaS-Angebot (Dynamics und
Office 365) besser in seine Entwicklungsumgebung (PaaS) integrieren. Von den Synergien könnten Microsoft und seine Kunden nur profitieren.
3. Teil: „Google spuckt große Töne“

Google spuckt große Töne

  • Enterprise-Plattformen: Laut den Analysten von Gartner führen Salesforce und Microsoft noch immer, aber der Vorsprung vor der Konkurrenz war schon größer.
    Quelle:
    Gartner Enterprise Platforms 2016
Google beziehungsweise Alphabet zieht seine Umsatzmilliarden aus der Internetwerbung. Zahlen zu seinen Cloud-Umsätzen rückte der Konzern bislang nicht heraus. Experten schätzen sie auf bescheidene 400 Millionen Dollar. Das sind Peanuts, verglichen mit Cloud-Riesen wie Microsoft oder Amazon. Aber Google plant ambitioniert: Urs Hölzle, Software-Chef bei Google, prophezeite jüngst, dass in fünf Jahren die Cloud-Umsätze des Konzerns die Werbeumsätze übersteigen würden. Das waren 2015 etwa 65 Milliarden Dollar.
Man kann das als Marketingprotzerei abtun oder aber als Kampfansage verstehen. Immerhin hat die Firma über ihre App-Engine 1,7 Millionen Apps ausgerollt, Gartner schätzt die Anzahl der App-Engine-Kunden auf etwa 10.000. Alles in allem ist die App-Engine in der Unternehmens-IT zurzeit jedoch noch unterrepräsentiert. Der Flugreservierer Amadeus hat auf der GCP (Google Cloud Platform) einen „Airline Cloud Availability“-Dienst installiert, um sein Kernreservierungssystem von Such- und Verfügbarkeitsanfragen zu entlasten. Verfügbarkeitsanfragen machen die Hauptlast des Traffics aus. Der österreichische Webvideo-Spezialist Bitmovin nutzt die Google Compute Engine, um HD-Videos in Echtzeit in andere Formate zu transkodieren. Dabei kommen die neue Streaming-Technologie MPEG-DASH (Dy­namic Adaptive Streaming over HTTP) und handkodierte C/C++-Routinen zum Einsatz.
Googles Cloud-Plattform besteht aus den Komponenten Compute, Storage, Networking, Big Data, Machine Learning, Operations und einigen Tools. Damit wären eigentlich alle Zutaten eines Cloud-Erfolgscocktails vorhanden. Nun müssen nur noch mehr Kunden kommen.
4. Teil: „Salesforce - PaaS-Leader “

Salesforce - PaaS-Leader

Das Cloud-Urgestein Salesforce ging mit seinem Cloud-CRM 1999 an den Start. 2007 folgte die Cloud-Entwicklerplattform Force.com, später durch Heroku erweitert und in Lightning umbenannt. Das von Marc Benioff gegründete Unternehmen war damit Konkurrenten wie SAP und Oracle weit voraus und setzt aktuell in der Software-Cloud am meisten um. Allein der Bereich PaaS spült jährlich eine Milliarde Dollar in die Kassen. Gartner sieht Salesforce bei den Enterprise-App-Plattformen als Leader.
„Salesforce ist bei den KMUs eingestiegen, betreut aber heute auch das Enterprise-Kundensegment“, sagt Leah Blessin, „Cloud First“-Chefin für die DACH-Region beim Beratungshaus Accenture. Das aktuelle Angebot besteht aus Clouds für Sales, Services und Marketing. Eine der großen Stärken des Unternehmens sei, die Customer Journey von Anfang bis Ende abbilden zu können. Zudem sei Salesforce ein großer Innovator mit einem breiten Partnernetzwerk.
Salesforce hat aber auch Schwächen. Komplexe Analysen über mehrere Datenquellen sind nicht optimal gelöst. Panasonic Europe hat daher seine Salesforce-Lösung mit dem BI-Werkzeug QlikView ergänzt, das bessere Resultate liefert. Die auf der letzten Hausmesse Dreamforce angekündigte Wave Analytics, eine Datenvisualisierungs-Engine, sei erst im Kommen und an einer IoT-Cloud (Internet der Dinge) arbeite Salesforce zurzeit noch, so Blessin.
Außerdem gilt die Firma als teuer. Die Hälfte der von Gartner befragten Salesforce-Kunden bewerteten das Preis-Leistungs-Verhältnis lediglich mit „okay (fair)“ oder schlechter.
5. Teil: „SAP geht Partnerschaften ein“

SAP geht Partnerschaften ein

SAP ging spät in die Cloud: 2010 stellte SAP seine Echtzeitplattform HANA vor. „Hasso’s New Architecture“ hieß das Projekt intern – benannt nach dem SAP-Gründer Hasso Plattner, der die Kern-Engine in seinem Software-Labor gemeinsam mit Doktoranden und Studenten zusammengeschraubt hat. In den vergangenen Jahren ging es dann Schlag auf Schlag: 2013 gab es die Business Suite auf HANA, 2014 auch im Mietmodell aus der Cloud. Neue, für die Cloud programmierte und sehr bedienfreundliche Applikationen wie S/4HANA Finance kamen hinzu.
Durch die Akquise von Ariba, einer Art Ebay fürs Business, hat SAP außerdem schon früh auf die Synergieeffekte großer Netzwerke gesetzt. SAP offeriert Applikationen für Bereiche, die Unternehmen ohne große Bedenken in die Cloud aus­lagern: das Talent- und HR-Management SuccessFactors, die Reisespesenabrechnung Concur, die E-Commerce-Lösung Hybris und das Procurement-Tool Fieldglass. Nach ersten guten Erfahrungen sollten Kunden dann auch Geschäfts­kritischeres in die Cloud migrieren. Die Strategie scheint auf­zugehen, denn in den ersten beiden Quartalen 2016 präsentierte SAP durchweg gute Zahlen. Die Erlöse mit Cloud-Subskriptionen und Cloud-Support stiegen auf zusammen 1,397 Milliarden Dollar.

SAP S/4HANA

„S/4HANA ist der digitale Kern unserer Cloud-Strategie, den Kunden zum Beispiel mit SuccessFactors/HR oder Fieldglass erweitern können“, erklärt Sven Denecken, Senior Vice President Product Management und Co-Innovation bei SAP. Der deutsche ERP-Konzern verfolgt damit einen anderen architektonischen Ansatz als der Erzkonkurrent Oracle mit seinem Layer-Konzept. Wichtig sind außerdem Partnerschaften mit IBM oder Amazon.
Das Hyperscaling-Argument von Microsofts Technikchef Holitscher kontert Denecken gelassen: „Am Ende zählt der geschäftliche Mehrwert, den die Lösungen beim Kunden generieren, und nicht nur die Infrastruktur oder die Fähigkeit zur Hyperskalierung.“ Wer seinen Kunden hilft, Mehrwert zu generieren, der wird selbst in der Cloud erfolgreich sein.
6. Teil: „IBM - Hybrid Cloud“

IBM - Hybrid Cloud

IBM setzt auf die hybride Cloud. „Wir sind der Meinung, dass es nicht DIE Strategie für alle Workloads gibt. Die Zukunft liegt in der hybriden Cloud für Enterprise-Kunden“, betont Nicole Huggenberger, Cloud Lead bei IBM Schweiz. 80 Prozent der Geschäftskunden bevorzugen laut IDC hybride Bezugsmodelle, die ihre On-Premise-Lösungen integrieren.

Umsatzbringer Cloud

IBM hat nach eigenen Angaben 2015 weltweit gut 10 Mil­liarden Dollar in der Cloud umgesetzt – davon 4,5 Milliarden mit „reinen“ Software-as-a-Service-Angeboten. Zu den Kunden gehören 47 der Top-50-Fortune-500-Unternehmen, da­runter AT&T, Amro, die Citigroup, die Deutsche Bank und Whirlpool. Big Blue offeriert allein 150 SaaS-Lösungen. „Wir sind der umfangreichste SaaS-Anbieter“, unterstreicht Cloud Lead Huggenberger. Hinzu kommt die Cloud-Entwicklerplattform Bluemix mit zurzeit gut 130 Angeboten, darunter auch APIs für IBMs Cognitive-Computing-Engine
Watson.
77.000 Entwickler weltweit nutzen die Watson-Tools auf Bluemix. Watson ist IBMs Spezialwaffe im Kampf um die Cloud. Unter den rund 30 Cognitive-Computing-APIs findet sich etwa der Dienst Personal Insights, der psychologische Charakterprofile erstellt, die für Marketingkampagnen wichtig sein können. Oder Tradeoff Analytics, Language Translation und der Tone Analyzer, die Bluemix-Entwickler konfigurieren und an die eigenen Wünsche anpassen können. Aktuelle Hype-Themen adressieren die Bluemix-APIs IoT as a Service oder das Geldtransfer-Template Blockchain as a Service.
7. Teil: „Oracle setzt auf hybrides Szenario“

Oracle setzt auf hybrides Szenario

Erst war die Cloud für Oracle Teufelswerk, heute gehört das Unternehmen zu den am besten sortierten Software-Anbietern weltweit – und zwar On-Premise und in der Cloud. Um hybride Szenarien zu realisieren, die On-Premise und die Cloud kombinieren, bringt Oracle nahezu ideale Voraussetzungen mit. Die in Java reprogrammierten Fusion-Apps kamen 2011 auf den Markt. Dazu gehören Customer Expe­rience, ERP (Financials und Supply Chain) und HR. Mitte letzten Jahres stellte Oracle seine performanten, aber auch kostenintensiven vorkonfigurierten Appliances in die Cloud. Allen voran die Datenbank-Appliance Exadata (als Database Cloud Exadata Services). Es fällt schwer, eine Business-Software zu nennen, die Oracle nicht anbietet. Das Cloud-Geschäft legte um 40 Prozent zu und erwirtschaftete 735 Millionen Dollar (Q3 per 29. Februar 2016). Trotzdem liegt Oracle mit diesem Ergebnis hinter dem Erzrivalen SAP zurück. Schwächen im Geschäft mit traditionellen Softwarelizenzen und der starke Dollar setzten Oracle weiter zu.
„Die meisten Kunden fahren eine Dual-Vendor-Strategie“, sagt Hanspeter Kipfer, Managing Director von Oracle Schweiz. Es sei durchaus üblich, Oracles Datenbank mit IBMs DB2 oder Microsofts SQL Server gemeinsam einzusetzen. Das Software-Fundament ist die Datenbank plus Virtualisierungs-Layer und Middleware, darauf setzen die Business-Applikationen auf. Aber – und das betont Kipfer: „Jeden einzelnen unserer Building Blocks können Sie ersetzen und gegen die Lösung eines anderen Anbieters austauschen.“
Vor Kurzem ging Oracle mit seiner Cloud Machine an den Markt. Sie erweitert das Netzwerk des Kunden auf die Pu­blic-Cloud-Angebote von Oracle, macht aus Public also Private. Damit können Unternehmen die Public Cloud nutzen, die bisher durch Regularien oder Policies daran gehindert wurden. Analysten halten die Cloud Machine jedoch nur für Unternehmen in stark regulierten Industrien für interessant.

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