Business-IT
15.03.2016
IT-Konzepte
1. Teil: „Bimodale IT bringt zwei IT-Welten unter ein Dach“

Bimodale IT bringt zwei IT-Welten unter ein Dach

Zwei IT-WeltenZwei IT-WeltenZwei IT-Welten
Shutterstock / Kreangkrai Indarodom
In größeren Unternehmen braucht man zwei Arten von IT, die parallel laufen. Einen Lösungsansatz liefert dabei Gartners Konzept der „bimodalen IT“.
Die Ausgangslage ist bekannt: Märkte verändern sich durch die Digitalisierung rasant, Unternehmen sind gefordert, Schritt zu halten. Während flinke Start-ups die Eta­blierten in Zugzwang bringen, kämpfen diese noch mit regulatorischen Bestimmungen, starren Organisationsstrukturen und trägen Prozessen. Doch auch sie müssen unkonventionelle Wege gehen und neue Geschäftsideen umsetzen.
Der Business-IT kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie muss schnell innovative Angebote auf den Markt bringen (oder die Tools dafür liefern) und gleichzeitig kosteneffizient sein. CIOs haben die anspruchsvolle Aufgabe, Sta­bilität mit Agilität zu verbinden. Die IT muss sichere, hochperformante und zuverlässige Dienste erbringen und ist zugleich gezwungen, schnell neue Business-Ideen mit modernen Technologien umzusetzen.
Diese zwei Anforderungen unter einen Hut zu bringen, ist schwer genug. Dazu kommt, dass die IT-Abteilungen oft schon mit dem Aufrechterhalten des Kerngeschäfts ausgelastet sind.

Bimodale IT

Einen Lösungsansatz liefert Gartners Konzept der „bimodalen IT“. Es soll zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten der IT im selben Unternehmen möglich machen.
  • Modus 1 steht für Stabilität und Qualität. Er ist geprägt von periodischen Release-Zyklen, einem Vorgehen nach dem Wasserfall-Modell und fix definierten Teams. Die Mechanismen sind etabliert und werden als selbstverständlich erachtet. Obwohl der interne Kunde im Business zu Hause ist, hat die IT das Sagen und gibt den Takt vor.
     
  • Modus 2 bringt Agilität, Innovation und Geschwindigkeit. Die Releases sind kontinuierlich (Continuous Delivery), das Vorgehen agil, die Teams funktionsübergreifend. Business und IT arbeiten Hand in Hand; ein Teil der IT funk­tioniert wie ein Start-up und arbeitet eng mit den Business-Teams zusammen.
Das Konzept ist einfach, die Einführung wirft aber Fragen auf: Wie transformiert man eine Organi­sation in ein bimodales Unternehmen? Womit soll man beginnen? Welche Mitarbeiter passen in ein agiles Umfeld? Wie greifen Modus 1 und 2 ohne zu konkurrieren ineinander?
2. Teil: „Mehr Agilität, Innovation und Geschwindigkeit“

Mehr Agilität, Innovation und Geschwindigkeit

Bei der Softwarebereitstellung im Modus 2 zählen Agilität und Geschwindigkeit. Das heißt, dass konkrete Anforderungen an eine Softwarelösung später bekannt sind als beim Wasserfall-Vorgehen von Modus 1. Die Software wird explorativ entwickelt und mit jeder Iteration weiter konkretisiert. Das kontinuierliche Benutzer-Feedback fließt früher ein. Weil es auf Innovation und Geschwindigkeit ankommt, sind die Release-Zyklen der Software extrem kurz.
Ein Musterbeispiel hierfür ist Netflix. Der Streaming-Dienst spielt täglich neue Software-Releases ein. Er kann so sehr schnell auf Kundenwünsche reagieren und kontinuierlich neue Funktionen veröffentlichen.
Großunternehmen werden zwar nicht wie Netflix funktionieren. Doch um sich in Richtung Modus 2 der bimodalen IT zu entwickeln, sind Anpassungen auf allen Ebenen notwendig: bei der Organisation, den Prozessen und Technologien sowie der Unternehmenskultur (siehe Grafik unten).

Übergreifende Teams

Als Vorbereitung auf die bimodale IT muss ein Unternehmen seine Organisation (Säule 1) und seine Prozesse (Säule 2) unter die Lupe nehmen – und dann Maßnahmen treffen wie das An­passen der digitalen Geschäftsstrategie, Digi­­tal Leadership, Talent Management, neuartige Sourcing-Modelle oder DevOps-Organisationen. Neue Prozesse rund um Entwicklung und Qualitäts­sicherung gewährleisten das kontinuierliche Bereitstellen von Software-Releases im Modus 2. Agil allein greift hier zu kurz.
  • 3-Säulen-Modell: Bimodale IT stützt sich auf eine agile und o ene Unternehmenskultur, auf Anpassungen der Organisation und der Prozesse sowie auf die Einführung neuer Technologien.
    Quelle:
    IPT
Einerseits braucht man agile Organisationsformen, die Silos wie zum Beispiel Produktmanagement oder Entwicklungsabteilung überbrücken: Funktionsübergreifende, selbstständige Teams (Squads) müssen eng zusammenarbeiten und mit externen Partnern interagieren. Sie sind das Kernstück bimodaler Or­ganisationen. Andererseits sind auch die durchgängige Kontinuität in der Software-Ent­wicklung und die Automatisierung von Entwicklungsprozessen (etwa automatische Release-Prozesse oder automatische Regres­sionstests) essenziell.

Technologie als Basis

Technologische Voraussetzungen für schnelle Innovation bilden die dritte Säule der bimodalen IT. Mit Selfservicing können Entwickler und ihre Auftraggeber zügiger mit der Umsetzung einer Lösung starten. In Eigenregie greifen sie auf bestehende Assets zu: von der Plattformbereitstellung (Cloud) über wiederverwendete Schnittstellen (APIs) bis zur Realisierung von Apps. Die Cloud ermöglicht, Software, Plattformen und IT-Infra­struktur schnell und skalierbar als Service zu beziehen. Cloud-Lösungen spielen in Modus-2-Projekten eine zentrale Rolle.
In der Interaktion mit Kunden, Partnern und Mitarbeitern müssen Firmen immer mehr digitale
Kanäle unterstützen (Multi-, Omni- oder Cross-Channel). Ein API-Management integriert die Kanäle kontrolliert und sicher über Unternehmensgrenzen hinweg. Um schnelle Release-Zyklen und Qualität sicherzustellen, gewinnen automatisierte Softwaretests, Release Automation und Continuous Integration an Bedeutung.
3. Teil: „Verantwortung für ein Produkt von A bis Z“

Verantwortung für ein Produkt von A bis Z

Den Unternehmen, die sich schnell anpassen können, gehört die Zukunft. Neben technolo­gischen und organisatorischen Veränderungen ist das Beginnen einer bimodalen IT also auch eine Frage der Kultur und der Werte einer Firma. Mitarbeiter und Geschäftspartner müssen als Unternehmer mitdenken.
Sie sollen ermutigt werden, neue Ideen einzubringen und die Verantwortung für ein Produkt von A bis Z zu übernehmen. Dazu braucht man einen anderen Umgang mit Fehlern: „Fail fast“ heißt das Credo. Das Management muss darauf achten, dass Modus 1 und 2 gleichberechtigt sind – denn beide tragen entscheidend zum Erfolg des Unternehmens bei.

Einfach loslegen!

Die Umsetzung einer bimodalen Organisation variiert je nach Voraussetzungen und Zielen des Unternehmens. Es ist nicht empfehlenswert, die Transformation unternehmensweit durchzuführen, weil dies zu viele Anpassungen und Abhängigkeiten zur gleichen Zeit mit sich bringen würde. Mehr Erfolg versprechen kleine Pilotprojekte im Modus 2, mit dem Ziel, schnell Erfahrungen zu sammeln und aus Fehlern zu lernen. Dafür eignen sich Projekte mit folgenden Merkmalen:
  • Ein innovatives Produkt mit direktem Kundenbezug (Kunden-Feedback möglich) soll hergestellt werden
     
  • Die Anforderungen sind zu Beginn nicht klar formuliert (Innovationen werden möglich)
     
  • Das Projekt dauert nur kurz
     
  • Die Abhängigkeiten von internen und externen Partnern und Systemen sind minimal
Mary Mesaglio von Gartner empfiehlt, einfach mit einem Projekt zu beginnen, selbst wenn man glaubt, noch nicht bereit zu sein. Mit der Erfahrung der ersten Pilotprojekte lassen sich dann weitere technologische und organisatorische Veränderungen angehen.

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