Big Data
01.04.2016
Big Data in der HR
1. Teil: „Bessere Entscheidungen mit People Analytics“

Bessere Entscheidungen mit People Analytics

People AnalyticsPeople AnalyticsPeople Analytics
Fotolia / fotogestoeber
Big Data soll Personalauswahl und -entwicklung effizienter und transparenter machen. Doch der produktive People-Analytics-Einsatz ist in den meisten Firmen noch eine Vision.
Wenn Callcenter-Mitarbeiter häufig wechseln, frustriert das nicht nur die Kunden, die ihr Anliegen immer wieder einem neuen Ansprechpartner erklären müssen. Fortwährende Personalsuche und die Einarbeitung der Mitarbeiter verursachen auch beim Callcenter-Betreiber hohe Kosten, ein stabiles Betriebsklima kann sich gar nicht erst ausbilden. Genau vor diesem Problem stand die Bank of America vor einigen Jahren. Mit Kündigungsraten von 40 Prozent und einer durchschnittlichen Beschäftigungsdauer im Callcenter des Finanzdienstleisters von nur 1,1 Jahren war die Mitarbeiterbindung sensationell schlecht.
Die Bank tat, was heute wahrscheinlich die meisten Amerikaner tun, wenn sie vor einem Problem stehen. Sie fragte: „Is there an app for it?“ Und in der Tat gibt es nicht nur eine App, es gibt gleich eine ganze Branche, die sich unter dem Stichwort „People Analytics“ mit der IT-gestützten, automatisierten Analyse und Steuerung von Personalmaßnahmen beschäftigt – angefangen von der Bewerberauswahl über die Personaleinstellung und Personalentwicklung bis hin zur Messung der Mitarbeiterzufriedenheit und deren Steigerung etwa durch eine Karriereplanung, die unterschiedliche Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen automatisch berücksichtigt.
„Grundsätzlich geht es darum, die anfallenden Daten zu nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen“, sagt der Schweizer Zukunftsforscher Joël Luc Cachelin (www.wissensfabrik.ch) über die Zielsetzung. „People Analytics ist kein Tool, sondern ein Methoden- und Denkansatz“, ergänzt Cornelia Reindl, Themenvorständin des Innovationsnetzwerks openBIT e.V. für People-Analytics-Projekte. People Analytics sei Forschung im Unternehmen, sagt ihre Kollegin Stefanie Krügl, Vorständin Business bei openBIT. „Wie bei wissenschaftlichen Studien steht und fällt der Nutzen damit, wie gut die Untersuchung aufgesetzt ist, wie kompetent die Leute sind, die das durchführen, und wie ernst es auch gemeint ist.“
Dieser Nutzen lässt sich durchaus messen. Laut der auf HR-Themen spezialisierten Analystenfirma Bersin Deloitte erzielen Unternehmen mit effektiver Personalentwicklung im Durchschnitt mehr als doppelt so viel Umsatz pro Mitarbeiter wie solche ohne. Kein Wunder also, dass zumindest US-Firmen in People Analytics investieren wollen, um das Personalmanagement effektiver zu machen. Nach einer Umfrage von PwC Saratoga sind 86 Prozent der Befragten bereit, People Analytics einzuführen oder auszubauen. Fast die Hälfte (46 Prozent) hat bereits mindestens eine Stelle geschaffen, deren Inhaber sich ausschließlich oder hauptsächlich um People Analytics kümmert.
2. Teil: „Bewegung im Markt der datengetriebenen Ansätze“

Bewegung im Markt der datengetriebenen Ansätze

Die großen Hersteller haben den Trend erkannt und sammeln fleißig Spezialisten ein, die sich mit Human Capital Management (HCM), Human Resource Management (HRM), Talentmanagement oder Workforce Analytics auskennen. So übernahm der ERP-Spezialist Infor den HCM-Anbieter Lawson und die Firma PeopleAnswers, die eine Big-Data-basierte Cloud-Plattform zur gezielteren Mitarbeitersuche entwickelt hat.
  • Big-Data-Nutzung in Unternehmen: Nur wenige Firmen planen den Einsatz von Big-Data-Analysen im Personalwesen, noch weniger nutzen sie bereits.
    Quelle:
    Barc
Die Akquisitionen flossen in Infors HCM Suite ein, die mittlerweile auch als CloudSuite im Software-as-a-Service-Modell zu haben ist. Ähnliches geschah mit dem HCM-Anbieter SuccessFactors, der  2012 von SAP übernommen wurde. Oracle kaufte den Talentmanagement-Anbieter Taleo und Microsoft verleibte sich im vergangenen Jahr den Big-Data-Spezialisten Volometrix ein, der verspricht, mit Hilfe seiner Analysewerkzeuge Vertriebs­teams produktiver, Mitarbeiter motivierter und Hierarchien transparenter zu machen.
In Deutschland stoßen datengetriebene Ansätze zum Personalmanagement allerdings noch auf wenig Interesse. „People Analytics ist bei uns nur in ganz marginalen Zügen im Einsatz, da sind die Amerikaner schon viel weiter“, sagt Christoph Athanas, Gründer und Geschäftsführer der auf Recruiting-Strategien spezialisierten Unternehmensberatung meta HR. Das bestätigen auch die Zahlen. Nach einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) nutzen nur 7 Prozent der Befragten Big Data zur Entscheidungsfindung bei Personalfragen. Das Marktforschungsunternehmen Barc kommt zu ähnliche Erkenntnissen. Gerade einmal 9 Prozent der über 1000 Befragten nannten das Personalwesen als Einsatzgebiet für Big Data. Immerhin halten 42 Prozent der von Oracle für die Studie „Simply Talent“ befragten deutschen Unternehmen fortgeschrittene Datenanalysen für hilfreich, um die Mitarbeitermotivation zu steigern – und damit im Europavergleich weit mehr als beispielsweise schwedische (16 Prozent) oder britische (36 Prozent) Arbeitgeber.
Die zögerliche Haltung ist kein Wunder, denn die Befürworter von People Analytics müssen hierzulande an den verschiedensten Fronten kämpfen:
  • Geschäftsführer befürchten Aufruhr unter ihren Mitarbeitern, wenn deren Leistung oder gar ihr Wohlbefinden automatisiert gemessen und analysiert wird. Sie wollen unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, gläserne Mitarbeiter zu produzieren. „Der gläserne Mitarbeiter ist auch auf einer gesellschaftlichen Ebene heikel, weil damit eine stärkere Ökonomisierung der Arbeit wahrscheinlich wird“, sagt Zukunftsforscher Cachelin. „Arbeit wird dann nur noch nach wirtschaftlichen Kriterien verteilt, die gesellschaftliche Dimension der Arbeit verliert an Bedeutung.“
     
  • Personalabteilungen sehen sich in ihrer Existenz gefährdet und mauern. Die Furcht ist nicht ganz unbegründet. In einem Artikel auf der deutschen Huffington-Post-Webseite empfiehlt Cachelin, angesichts der digitalen Transformation Personalabteilung und IT zu verschmelzen. Derzeit ist davon allerdings noch nicht viel zu spüren, wie er selbst einräumt: „Ich sehe im Moment keine Zusammenschlüsse und auch keine Pläne dazu.“
     
  • Betriebsräte und Datenschützer sind alarmiert, wenn Mitarbeiterinformationen im großen Stil ausgewertet werden sollen. „Die Unternehmen haben Angst vor den Betriebs­räten“, sagt Stefanie Krügl von openBIT. Ganz unverständlich ist die Haltung der Arbeitnehmervertreter nicht, wenn man sich etwa Systeme wie das von Soma Analytics ansieht. Das in München gegründete und mittlerweile nach London umgezogene Start-up bietet mit der Smartphone-App Kelaa Unternehmen die Möglichkeit, Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu überwachen. Dazu fragt die App unter anderem danach, wie stressig die vergangene Woche war oder ob Gesundheitsprobleme auftraten und wie schnell man sich von Anstrengungen erholt. Außerdem misst sie Länge und Qualität des Schlafs. Die Daten werden an das Unternehmen übermittelt, das die Werte auf einem Dashboard verfolgen kann – allerdings nicht personalisiert, sondern auf Team-Basis aggregiert.
3. Teil: „Big Data und People Analytics bei der Personalsuche“

Big Data und People Analytics bei der Personalsuche

Am wenigsten Vorbehalte gegenüber People Analytics haben Unternehmen bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. „Im Recruiting ist die Bereitschaft relativ groß“, so Cornelia Reindl von openBIT, „weil man hier ohnehin zahlenbasiert arbeitet und keine Mitarbeiterdaten betroffen sind“.
  • Optimierungspotenzial: Der Dienstleister Textio analysiert Stellenanzeigen und empfiehlt Verbesserungen.
Geringere Kosten, schnellere Besetzung von Positionen, weniger Fehlentscheidungen und damit eine geringere Kündigungsrate sind einige der Vorteile, die Anbieter versprechen. Google, ein Vorreiter in Sachen People Analytics nicht nur im Recruiting-Bereich, nutzt schon seit zehn Jahren Algorithmen, um die besten Kandidaten aus den Bewerbermassen herauszufiltern. Bei der Analyse stellte das Unternehmen beispielsweise fest, dass mehr als vier Einstellungsgespräche keine signifikante Verbesserung der Erfolgsquote bringen, und reduzierte in der Folge die Zahl der Auswahlinterviews signifikant.
Der Konzern lässt sogar seine Suchmaschine nach Talenten forschen, wie der Programmierer Max Rosett berichtet. Er habe auf Google nach den Begriffen „python lambda function list comprehension“ gesucht und daraufhin auf der Ergebnisseite eine Einladung des Unternehmens für einen Einstellungstest erhalten, berichtet er auf der amerikanischen Webseite The Hustle.
Big-Data-Unterstützung bei der Personalsuche (Auswahl)
Diese Programme nutzen Algorithmen und Datenanalysen zur Unterstützung des Recruitings.
Die technische Hilfe beginnt schon bei der Formulierung von Stellenanzeigen. Textio beispielsweise analysiert – derzeit allerdings nur englische – Job Ads auf ihre Wirksamkeit und verspricht eine um 20 Prozent schnellere Besetzung von Stellen, wenn die Anzeigen mit Textio Talent optimiert wurden. Alexander Fedossov, Partner und Geschäftsführer bei der Wollmilchsau GmbH, einer Personalmarketing-Agentur, kritisiert jedoch die Intransparenz von Textio: „Wo gibt es diese Daten über erfolgreiche und nicht erfolgreiche Ausschreibung, auf denen Textio aufbaut? Wie haben sie diese gesammelt?“ fragt er in einem Beitrag auf seinem Unternehmensblog.
4. Teil: „Der optimale Kandidat per Datenanalyse“

Der optimale Kandidat per Datenanalyse

Plattformen wie Gild, Sutro oder TalentBin versprechen durch eine Kombination aus optimierten Jobprofilen und der Datenanalyse auf Social-Media-Kanälen und Stellenbörsen die optimalen Kandidaten für eine offene Position zu finden, gehen aber ebenso wenig wie Textio darauf ein, wo­rauf die Algorithmen basieren. 
  • Analyse mit dem Smartphone: Die App Kelaa misst unter anderem das Schlafverhalten des Nutzers und sendet die Daten anonymisiert an den Arbeitgeber.
Systeme wie Precire JobFit des deutschen Unternehmens Psyware kommen im nächsten Schritt ins Spiel, wenn es um die Vorauswahl der Kandidaten geht, die zu einem Assessment-Center oder einem Interview eingeladen werden sollen. Der Kandidat muss dazu ein 20-minütiges Telefoninterview mit der Software führen, das automatisiert ausgewertet wird. Psyware verspricht dadurch weniger Abbrüche als beim üblichen Ausfüllen von Fragebögen, eine höhere Bewerberzufriedenheit und einen um bis zu zwei Wochen kürzeren Recruiting-Prozess.
Torsten Biemann vom Lehrstuhl für Allgemeine BWL, Personalmanagement und Führung an der Universität Mannheim, sieht allerdings die Gefahr, dass sich Stellensuchende über kurz oder lang an die automatisierten Verfahren anpassen und eine „Recruiting Engine Optimization“ betreiben werden, die ähnlich wie die Suchmaschinenoptimierung (SEO) im Webseitenbereich funktioniert und Bewerbungsunterlagen auf die Algorithmen hin optimiert (siehe Interview auf der letzten Seite dieses Beitrags).
Stefanie Krügl glaubt nicht, dass das so schnell passieren wird: „Precire beispielsweise nutzt 180.000 Faktoren für die Analyse, das ist schwer zu manipulieren.“ Selbst wenn es gelänge, wäre nichts verloren, meint Krügl: „Dann haben wir eben dieselbe Situation wie heute, wo Bewerber sich von darauf spezialisierten Beratern Lebensläufe und Anschreiben designen lassen.“
Auch bei der Frage, ob es bei automatisierten Bewerbungsverfahren fairer zugeht als bei traditionellen Verfahren, gehen die Meinungen auseinander. „Quantitative Analysen können für mehr Fairness sorgen“, sagt BWL-Professor Biemann. Cornelia Reindl hat dagegen im Austausch mit dem Chaos Computer Club gelernt, dass Algorithmen nicht uneingeschränkt zu trauen ist. „Ab einer gewissen Datenmenge zeigen selbstlernende Verfahren ähnliche Diskriminierungsmuster wie Menschen.“ So könnte das scheinbar unbestechliche System beginnen, Bewerber nach Alter und Geschlecht auszusortieren. „Man muss sehr viel IT-Kompetenz besitzen und die Ergebnisse der Auswahlverfahren kritisch hinterfragen, um solche Fehlentwicklungen erkennen zu können.“
5. Teil: „Der Facebook-Effekt und die Kündigungsquote“

Der Facebook-Effekt und die Kündigungsquote

Die automatisierte Optimierung von Bewerbungsprozessen birgt außerdem die Gefahr von Filterblasen, wie man sie von der personalisierten Suche auf Google oder auch im News-Stream von Facebook findet. Die Betreiber analysieren das Verhalten des Nutzers und zeigen vermehrt dazu passende Suchergebnisse beziehungsweise Postings an. Die Welt des Einzelnen wird dadurch immer homogener, weil das System kritische oder von den eigenen Vorstellungen abweichende Informationen kaum noch präsentiert.
  • Individuelle Auswertung: One Model führt verschiedenste Datenquellen in Dashboards zusammen, in denen der Nutzer sie zu eigenen Analysen kombinieren kann.
Eine ähnliche Entwicklung kann sich ergeben, wenn ein Arbeitgeber zu sehr Wert auf eine homogene Unternehmenskultur legt und Bewerber entsprechend selektiert. „Wenn alle in dieselbe Richtung denken, leidet die Innovationsfähigkeit“, sagt Cornelia Reindl. „Wir brauchen auch die Querdenker und Quertreiber.“ Sie empfiehlt deshalb, bei solchen Messungen nicht zu hohe Werte anzusetzen: „Wenn ich die Passgenauigkeit zur Unternehmenskultur auf einer Skala von 1 bis 10 messe, sollte ich vielleicht nicht Bewerber unterhalb von 8, sondern erst ab einem Wert von unter 5 ausschließen.“

Mitarbeiter halten

Auch wenn People Analytics die Auswahl von Bewerbern sicherer, einfacher und billiger macht, wollen die meisten Firmen doch lieber Mitarbeiter so lange wie möglich halten, statt ständig neue suchen zu müssen. Die Kündigungsquote ist daher ein Maß, an dem sich viele Personalabteilungen messen lassen müssen. Darüber hinaus möchten die Arbeitgeber ja auch so viel wie möglich aus ihrem Humankapital herausschlagen, sprich Talente und potenzielle Führungskräfte entdecken und fördern.
Der Hörgerätespezialist Sonova beispielsweise nutzt dafür das System SuccessFactors Succession & Development. Es ist Teil der Talentmanagementlösungen von SAP und erlaubt es, Schlüsselpositionen zu identifizieren, den zukünftigen Personalbedarf im Unternehmen zu planen, Nachfolger gezielt zu entwickeln und die Kompetenzen beziehungsweise Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter im Blick zu behalten. „Wir können nun sehr gezielt nach Personen suchen, die für eine zu besetzende Stelle geeignet sind“, sagt Oliver Appelshäuser, HR Systems Manager Corporate HRM bei Sonova. Seit der Einführung der SuccessFactors-Lösung sei die Fluktuations­rate im Unternehmen weltweit von 15 Prozent auf 9 Prozent gefallen, so der Manager weiter. Mehr als die Hälfte der offenen Leitungsposi­tionen konnte 2014 und 2015 intern besetzt werden.
6. Teil: „Das HR-Management wird transparent und messbar“

Das HR-Management wird transparent und messbar

Personalabteilungen werden oft nur an ihrer operativen Effizienz gemessen. Im Vordergrund stehen Fragen wie „Was kostet uns die Personalverwaltung?“ und „Wie viele Leute sind dort beschäftigt? Die Effektivität von Personalmaßnahmen und deren strategische Bedeutung bleiben unklar. Dabei würde mehr Transparenz dem HR-Bereich guttun, davon ist Christoph Athanas von meta HR überzeugt: „Wenn Personalabteilungen nachweisen können, was ihre Maßnahmen bewirken, haben sie viele bessere Argumente gegenüber der Geschäftsleitung.“
  • Zu teuer: Firmen schrecken vor allem vor den Kosten von HR-Analysesoftware zurück.
Nicht alle Mitarbeiter im HR-Management sind über diese Entwicklung hin zur datenbasierten Kon­trolle glücklich, sagt Stefanie Krügl: „Viele haben diesen Job gewählt, weil sie mit Menschen und nicht mit Zahlen arbeiten wollen.“
Häufig fehlt es auch einfach am Know-how. In einer Umfrage von Bersin Deloitte bezeichneten 56 Prozent der Teilnehmer ihre Kenntnisse in der Analyse von Daten und der Interpretation der Ergebnisse als gering, nur 6 Prozent hielten sich für Experten in diesem Gebiet. Die Unternehmen neigten außerdem dazu, viel zu viele Daten zu sammeln, sagt Athanas. „Das ist oft ein Wahnsinnsaufwand, häufig ohne dass diese Informationen wirklich sinnvoll ausgewertet würden.“ HR-Abteilungen verbringen laut Mithun Sridharan, Gründer der Marketingfirma Blue Ocean Solutions (BlueOS, http://blueos.in) denn auch im Mittel 85 Prozent ihrer Zeit mit Verwaltung und nur 15 Prozent mit strategischer Planung.
People Analytics müsse zunächst einmal damit beginnen, relevante Daten zu identifizieren und sinnvoll miteinander zu verknüpfen, so Athanas weiter: „Es geht darum, den Erfolg zu messen und Konsequenzen zu ziehen.“ Dafür fehle es allerdings schon an den Voraussetzungen, sagt Cornelia Reindl: „Die Integration der Daten ist eine große Herausforderung.“ Häufig hätten die Unternehmen verschiedenste HR-Systeme im Einsatz und könnten sich nicht einmal die einfachsten Reports ziehen. „Da fehlen Grundvoraussetzungen für People Analytics.“ Das bestätigt auch die schon erwähnte PwC-Saratoga-Studie. Darin hielten 69 Prozent der Befragten die Inte­gration von Daten aus verschiedensten Quellen für die größte Hürde auf dem Weg zu einer erfolgreichen People-Analytics-Strategie. Nur 6 Prozent bezeichneten sich als „sehr zufrieden“ mit der Qualität ihrer Personaldaten.
Der Integration aller HR-Daten an einem Ort hat sich beispielsweise One Model verschrieben. Das Unternehmen verspricht die Datensammlung ohne Beteiligung der IT durchführen zu können, sofern sich die Informationen in Cloud-Services wie Workday, SuccessFactors, Jobvite oder Taleo befinden. Wer dagegen Personaldaten intern in Systemen von SAP, Oracle, Peoplesoft oder Infor liegen hat, muss mit einem Zeitaufwand für die interne IT von acht Stunden rechnen. Selbst chaotische Mixturen aus Excel-Files und Word-Dateien sollen sich in dieser Zeit sammeln, organisieren, bereinigen und bereitstellen lassen.
Hörgerätespezialist Sonova setzt für seine Stammdaten­verwaltung auf SuccessFactors Employee Central. Darin erfasst das Unternehmen die Kerninformationen aller Angestellten. Alle 10.000 Mitarbeiter haben Zugriff und können grundlegende persönlichen Daten selbst aktualisieren. „Wir müssen wissen, wie schnell wir Mitarbeiter für einen bestimmten Markt einstellen können, und dafür brauchen wir eine klare Übersicht über unsere Belegschaft“, sagt Appelshäuser.
7. Teil: „Fazit und 5-Schritte-Plan zu People Analytics“

Fazit und 5-Schritte-Plan zu People Analytics

Die meisten deutschen Personalabteilungen sind noch weit von einem produktiven People-Analytics-Einsatz entfernt. Es müsste sich erst einmal die Erkenntnis durchsetzen, dass man Personalmaßnahmen messen kann und auch sollte, bevor eine Diskussion um die richtigen Instrumente überhaupt sinnvoll ist. Das Interesse an diesen Instrumenten ist zwar groß, kommt aber oft nicht von den Personalern, sondern eher aus der Geschäftsleitung oder der IT.
  • Große Vorbehalte: Die meisten deutschen Personalabteilungen sind noch weit von einem produktiven People-Analytics-Einsatz entfernt.
Genauso groß sind auch die Vorbehalte. Die Angst vor dem gläsernen Mitarbeiter geht um. Vielleicht können ja Beispiele wie das der Bank of America helfen, diese Bedenken zu zerstreuen. Sie zeigen nämlich, dass alle Beteiligten bei einem sinnvollen Einsatz von People Analytics gewinnen können.
Im Fall der ständig wechselnden Callcenter-Belegschaft identifizierten People Analytics übrigens einen scheinbar banalen Faktor als den entscheidenden: In Niederlassungen, in denen die Mitarbeiter gemeinsam Mittag machen durften, war die Kündigungsrate deutlich niedriger. Die Bank führte daraufhin überall gemeinsame Mittagspausen für Teams ein. Ergebnis: Der Mitarbeiterverlust schwand dras-tisch und das Unternehmen sparte sich in der Folge 15 Millionen Dollar.
In fünf Schritten zu People Analytics
Der Erfolg von People Analytics ist von einer sorgfältigen und strukturierten Vorarbeit abhängig.
1. Definieren Sie Ihre Ziele
Beginnen Sie damit, festzulegen, was Sie überhaupt messen und analy­sieren wollen. Geht es zum Beispiel um die Trefferquote bei der Einstellung neuer Mitarbeiter, die Effektivität von Personalmaßnahmen oder um die Produktivität von Teams?
Es ist zwar verlockend, sofort loszulegen und mit den vorhandenen Daten zu arbeiten. Dabei übersieht man jedoch leicht wichtige Fragen, weil für deren Beantwortung (noch) keine Informationen vorliegen. Außerdem besteht die Gefahr, sich auf Nebenschauplätzen zu verzetteln, nur weil dort viele detaillierte Daten vorhanden sind.
2. Informieren Sie die Betroffenen
Wenn klar ist, was Sie mit den Analysen bezwecken wollen, sollten Sie alle betroffenen Mitarbeiter ausführlich darüber informieren, welche Daten genau erhoben wurden beziehungsweise werden und was Sie mit der Auswertung vor­haben. In größeren Betrieben ist die Einbindung des Betriebsrats und dessen Zustimmung ohnehin gesetzlich vorgeschrieben. Je offener Sie kommunizieren und je klarer die Vorteile auch für die Mitarbeiter erkennbar sind, desto größer wird die Akzeptanz sein.
3. Prüfen und konsolidieren Sie Ihre Daten
Im nächsten Schritt sollten Sie prüfen, ob und in welcher Form die dafür notwendigen Daten vorhanden sind. Aggregieren Sie diese an zentraler Stelle, entweder indem Sie die Daten in eine konsolidierte Datenbank überführen oder über APIs von einer zentralen Applikation aus auf die Datenbanken aller relevanten Systeme zugreifen. Lösen Sie Silos auf und verhindern Sie Mehrfacherhebungen und -ablagen. Beenden Sie konsequent alle Erfassungen von Personaldaten, die nichts zu Ihrer Fragestellung beitragen. Entwickeln Sie neue Erfassungen, falls dies für Ihre Fragestellung nötig ist.
4. Glauben Sie keiner Statistik
Jetzt lassen sich einfache statistische Verfahren, Big-Data-Analysen oder selbstlernende Algorithmen auf Ihre Daten anwenden, um die in Schritt 1 definierten Fragestellungen zu bearbeiten. Überprüfen Sie die Ergebnisse aber immer kritisch auf ihre Plausibilität und auf typische Fehler wie Scheinkorrelationen (Faktoren korrelieren ohne kausalen Zusammenhang) oder den Regressionseffekt (Variationen tendieren langfristig immer zum statistischen Mittel).
5. Ziehen Sie Konsequenzen
Wenn Sie sicher sind, valide Analyse-Ergebnisse zu haben, definieren Sie das weiteren Vorgehen. Vergessen Sie nicht, deren Effektivität erneut anhand von Analysen zu überprüfen.
8. Teil: „Quantitative Analysen für mehr Fairness“

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