Business-IT
26.01.2018
Chatbots
1. Teil: „Automatisierte Helfer im Kundenservice“

Automatisierte Helfer im Kundenservice

ChatbotChatbotChatbot
Zapp2Photo / shutterstock.com
Chatbots erfreuen sich großer Beliebtheit. Besonders im Service können sie Ressourcen und Geld einsparen. Erste Tools helfen Händlern, Chatbots nach ihren Vorstellungen zu kreieren.
Leo hat auf alles eine Antwort – auch auf die Frage, was er über die FDP denkt: „Wir bevorzugen es, nicht über langweilige Parteien, die nichts bewegen, zu sprechen“, schreibt er im Facebook Messenger mit einem Augenzwinkern. Leo ist der Chatbot auf der CSU-Facebook-Seite. Vor der Bundestagswahl sollte er vor allem jüngeren Menschen das Wahlprogramm der bayerischen Partei näherbringen. Auf Fragen spult der Bot ­eine vorgefertigte Routine ab – und zwar so rasant, dass klar ist, dass es sich hier nicht um einen persönlichen Chat handelt, sondern um die Kommunikation mit einem Roboter.
Chatbots sind automatisierte Helfer. In Form digitaler Assistenten auf dem Smartphone, als Stand-alone-Geräte fürs Wohnzimmer oder als Messenger-Apps haben sie vor allem eine Aufgabe: Sie sollen Unterhaltungen simulieren, um dem Nutzer bei Kaufentscheidungen zu helfen, oder bestimmte Aufgaben ausführen. Dabei sind solche Helfer nichts Neues. Bereits in den 1960er-Jahren schuf der Informatiker Joseph Weizenbaum mit Eliza eine „Psychotherapeutin“, die in der Lage war, sich mit Menschen zu unterhalten.

Für einfache Szenarien

Auch für den Online-Handel sind Chatbots geeignet. Häufig wiederkehrende Anfragen lassen sich so einfach und schnell beantworten. Gleichzeitig kann der Händler Ressourcen einsparen, da sich (Service-)Mitarbeiter auf komplexere Anfragen konzentrieren können. Jens Rode, CEO der auf Empfehlungs-Marketing spezialisierten Agentur Tellja, sieht Chatbots als gezielt selektives Angebot: „Unternehmen, die Chatbots nicht als Alleinkämpfer an der Kundenfront einsetzen, haben bessere Chancen, neue Produkte durch zum Beispiel die schnellere Beantwortung von Anfragen erfolgreicher zu positionieren.“
Bevor sie einen Chatbot in den eigenen Shop integrieren, sollten sich Händler mit einigen Fragen auseinandersetzen: Wie kann ein Chatbot meinem Kunden Dienstleistungen oder Produkte näherbringen? Wie kann die Conversion Rate dadurch gesteigert werden? Wie sieht die Zielgruppe aus und was erwartet sie von ihrem Händler? Wo stoßen Chatbots an ihre Grenzen und wer übernimmt dann die Kundenansprache?
Wichtig ist auch, die dahinterliegende Künstliche Intelligenz sorgfältig mit Keywords zu füttern, damit ein normales und flüssiges Gespräch möglich ist. „Es gibt nichts Schlimmeres als einen Chatbot, der keine Ahnung hat. Das sorgt für Frust beim Kunden“, mahnt Sascha Martini, ­Managing Director Germany bei der Agentur R/GA.
Händler, die Chatbots einsetzen möchten, bekommen mittlerweile Unterstützung von diversen Tool-Anbietern. Neben den Lösungen großer Unternehmen wie IBM Watson, Microsoft Bot Framework, Wit.ai oder Chatfuel bieten vor allem kleinere, spezialisierte Agenturen entsprechende Tools an.
Dazu gehört Novomind mit dem Chatbot Nomi: Die Hamburger Agentur ­arbeitet mit Künstlicher Intelligenz, ­dadurch sollen dialogfähige Chatbots möglich werden. Diese geben den Kunden geeignete Antworten auf ihre Fragen oder stellen weitere Fragen, wenn das Anliegen nicht eindeutig ist. Mit Hilfe gezielter Dialogschritte sollen dann aus den ­infrage kommenden Hilfeoptionen die am besten passenden ausgespielt werden.
Wird der Bot in die Kundenservice-Software Novomind iAgent integriert, können die Mitarbeiter im Kundencenter ihn im Livebetrieb automatisch pflegen. Ein weiterer Vorteil der Integration ist, dass die Kundenanfrage bei einer für den Bot unverständlichen Frage oder einer Beschwerde an einen realen Agenten im Chat weitergeleitet werden kann. Ein von Novomind entwickelter Chatbot kann nach eigenen Angaben innerhalb von sechs Wochen live sein. Die Kosten liegen bei unter 10 Cent pro Dialog, Hosting, Betrieb, Pflege und Nutzung inklusive.
2. Teil: „Gespräche qualifizieren“

Gespräche qualifizieren

  • Vielfältige Möglichkeiten: Der Snatchbot-Store bietet kostenlose Templates für zahlreiche Chatbots.
Auch die Lösung der französischen Agentur iAdvize leitet Kundenfragen, die der Bot nicht beantworten kann, an einen menschlichen Berater weiter. iAdvize realisiert das über die eigene Conversational-Commerce-Plattform, die die Online-Kundenansprache via Chat, Call und Video in ­einer Messaging-Oberfläche zentralisiert.
Ein wichtiger Bestandteil der Plattform ist der Bot Builder, mit dessen Hilfe Unternehmen einen eigenen Chatbot erstellen können. Der Bot Builder entwirft Gesprächsstränge und reichert diese mit Texten, Links, Multiple-Choice- und offenen Fragen an. Auch die Qualifizierung eines Kontakts ist möglich. Bei der französischen Elektrizitätsgesellschaft EDF zum Beispiel nimmt der Bot eine erste Kategorisierung von Unterhaltungen vor und ersetzt so das Kontaktformular. Einen einfachen Chatbot, der beispielsweise nur eine Qualifizierung eines Kontakts mit Namen, Unternehmen und E-Mail-Adresse durchführt, können Kunden laut iAdvize innerhalb weniger Minuten über den Bot Builder selbst er­stellen.
Der Bot Bot, den das New Yorker Start-up Reply.ai zusammen mit R/GA San Francisco entwickelt hat, ist ebenfalls ein Tool für den eigenständigen Aufbau von Chatbots. Wer ­einen solchen kreieren möchte, muss zunächst auf der Webseite des Unternehmens per Chat einige Fragen beant­worten. So entsteht ein individuelles Anforderungsprofil des Chatbots und im Anschluss der Bot selbst.
  • Chatbot-Builder: Mit dem Bot Bot können etwa Restaurants Chatbots bauen und darüber Speisen anbieten und liefern.
Derzeit sind drei Templates verfügbar: Der Ask Bot gibt Hilfestellung bei der ­Beantwor­tung häufig gestellter Fragen, der Fitness Bot ermöglicht Fitnessstudios die Buchung von Trainingsstunden, und über den Food Bot können Restaurants Speisen anbieten und liefern. Weitere Templates sollen in naher Zukunft folgen. Zielgruppe sind vor allem kleinere Unternehmen.
Auch über die Plattform von Snatchbot können Online-Händler – kostenlos – ihren eigenen Chatbot entwickeln. Das Unternehmen aus Israel wirbt damit, dass keine Programmier-kenntnisse benötigt werden und die Entwicklung sehr einfach ist. Ist der Chatbot fertig, kann dieser mit verschiedenen Kanälen wie der eigenen Unternehmens-Website, dem Facebook Messenger oder Skype verbunden werden.
Über Paypal können auch Zahlungen innerhalb des Chatbots abgewickelt werden. Snatchbot spricht insbesondere kleinere Anbieter an, die mit ihren Kunden über soziale Medien kommunizieren wollen. Ein einfacher Chatbot ist laut Snatchbot in weniger als drei Stunden fertig. ­Eine ganze Reihe vorgefertigter Templates steht dafür bereits zur Verfügung. Für komplexere Lösungen werden ein bis zwei Wochen benötigt.

Kundendaten aus Drittsystemen

Die Agentur Dayone aus Berlin verknüpft Chatbots über eine Schnittstelle mit Drittsystemen, beispielsweise mit der Produktdatenbank oder dem Customer-Relationship-Management-System. Auf diese Weise kann der Bot konkret zu einzelnen Produkten beraten, Produkte vorschlagen und diese an den Kunden verkaufen.
  • Quelle: Fittkau & Maaß
Der Volkswagenkonzern hat das bereits zweimal ausprobiert: zum einem mit einem Konfigurator-Chatbot auf Facebook, über den Kunden zum Launch des neuen Golf-Modells ihren Neuwagen selbst zusammenzustellen konnten.
Zum anderen hat Dayone einen Chatbot für die Autosuche entwickelt, mit dessen Hilfe die Verbraucher nach Gebrauchtwagen ­recherchieren können. Da diese Lösung mit den Bestandssystemen verknüpft ist, sind die Fahrzeuge in Echtzeit verfügbar. Der Chatbot liefert zunächst einmal detaillierte Informationen zum Fahrzeug selbst. Darüber hinaus bietet er die Möglichkeit einer Finanzierungsberechnung und übermittelt auf Wunsch eine Anfrage an den Autohändler.
3. Teil: „Interview mit Fabian Beringer von Chatbot Consulting

Interview mit Fabian Beringer von Chatbot Consulting

  • Fabian Beringer, Managing Partner und Gründer von Chatbot Consulting
    Quelle:
    Chatbot Consulting
Das Beratungsunternehmen Chatbot Consulting will Kunden bei der Umsetzung von Chatbots in den Bereichen Kundenservice, Marketing und Sales unterstützen. Zu den Kunden zählen Firmen wie Allianz, Siemens, Flixbus und die Commerzbank.
com! professional: Welche strate­gischen Vorüberlegungen sollten Händler anstellen, bevor sie einen Chatbot aufsetzen?
Fabian Beringer: Zum einen sollte der Händler dokumentieren, wie viele ­Interaktionen er mit seinen Kunden austauscht und über welche Kanäle er kommunizieren möchte. Zum anderen ist die Künstliche Intelligenz nur so gut wie die Daten, mit denen diese ­Intelligenz trainiert wird. Der Händler sollte deshalb bestenfalls schon eine existierende Datenbank mit historischen Kundenfragen besitzen.
com! professional: Was wird häufig falsch gemacht?
Beringer: Meistens werden von den Kunden die technischen Möglichkeiten der heutigen Chatbot-Technologie überschätzt und deshalb auch falsche Anwendungsbe­reiche ausgewählt. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen mit Spezialisten arbeiten, die flexibel sind und die schnelle Integration eines Piloten anbieten.
com! professional: Wie wichtig sind Überlegungen hinsichtlich der Zielgruppe und der Customer Journey?
Beringer: Je genauer die Zielgruppe und die Customer Journey dokumentiert wird, desto besser kann der Chatbot mit dem Kunden interagieren. ­Allerdings stoßen skript­basierte Chatbots irgendwann an ihre Grenzen und können keine Antwort mehr geben. Durch hybride Chatbot-Lösungen kann der Lernprozess beschleunigt werden und ver­hilft zu einer schnellen Vollautomatisierung.
Tipps für den Chatbot-Einsatz
  • Verwenden Sie Chatbots sparsam und in einer Weise, die sowohl dem Kunden als auch dem Unternehmen zugutekommt.
  • Wägen Sie situativ ab, an welchen Touchpoints des
  • Kunden ein Chatbot eine Erweiterung des Service-Levels bietet und an welchen Stellen in der Customer Journey der menschliche Faktor entscheidend ist. Insbeson­dere im Support, bei kritischen oder verärgerten Kunden, stößt ein Chatbot schnell an seine Grenzen.
  • Betreiben Sie im Vorfeld eine Analyse inklusive regel­mäßiger Befragungen der Kunden, um herauszufinden, was diese sich wünschen und erwarten.
  • Mit Chatbots können Marken ihren Kundendialog per­sonalisieren und die Customer Journey entsprechend optimieren.
  • Achten Sie daher ­darauf, die Chatbots regelmäßig zu justieren, damit sie in ihrem Wirkungsrahmen agieren und in gewissem Maß auch lernen können.
  • Bei Empfehlungen gilt für Marken und Kunden: Vertrautheit, Emotionalität und Glaubwürdigkeit sind wichtiger als Schnelligkeit und ständige Verfügbarkeit.



mehr zum Thema