Online-Dienste
22.08.2016
Per Schnittstelle zum eigenen Bankengeschäft
1. Teil: „API-Banking und Banking-as-a-Service“

API-Banking und Banking-as-a-Service

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Die EU zwingt Banken, ihre Infrastruktur zu öffnen. Das macht den Weg frei für völlig neue Geschäftsmodelle auf Basis von API-Banking und Banking-as-a-Service.
Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein neues Fintech für Schlagzeilen sorgt, eine Bank eine neue App launcht, ein neuer Service zum Abheben, Verwalten oder Anlegen von Geld auf den Markt kommt - immer mit dem Versprechen, alles bequemer und leichter für den Kunden zu machen. Keine Frage: Die Digitalisierungswelle hat die Finanzbranche erfasst und bringt Bewegung in den Markt.
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Eine wesentliche Voraussetzung für das Entstehen der neuen Services ist das Aufbrechen der bislang abgeschotteten Bankensysteme. Mit der Verabschiedung der Zahlungsverkehrsrichtlinie PSD2 Ende 2015 hat die EU die Banken verpflichtet, ihre Infrastruktur in den kommenden Jahren für andere Anbieter zu öffnen. Damit haben prinzipiell alle, also auch bankfremde Unternehmen, die im Rahmen ihres Geschäftsmodells Finanzdienste anbieten möchten, Zugang zu Bankprozessen und zu Kundendaten der Banken. Die Stichworte dazu lauten White-Label-Banking, API-Banking und Banking-as-a-Service, kurz BaaS.

Vorreiter White-Label-Banken

Vorreiter dieser Entwicklung sind die sogenannten White-Label-Banken. Zu ihnen zählen etwa die Fidor Bank aus München, die BIW Bank aus Frankfurt oder auch die Wirecard AG mit der Wirecard Bank aus Aschheim bei München. Andere wie zum Beispiel die Deutsche Kreditbank (DKB) öffnen sich mehr und mehr für branchenfremde Unternehmen und bieten White-Label-Lösungen an.
White-Label-Banken dienen zum einen als technische Dienstleister, die diejenigen Bankprozesse zur Verfügung stellen, die zur Abwicklung von Finanztransaktionen nötig sind. Zum anderen erfüllen sie die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), da sie im Besitz einer Banklizenz sind. Beides ermöglicht Firmen, eigene Finanzservices anzubieten, ohne selbst eine Banklizenz beantragen und eine Bankinfrastruktur aufbauen zu müssen.

Beispiele: N26 und O2 Banking

Zwei Beispiele: Das Berliner Start-up ­N26 (vormals Number26), das seit Januar 2015 ein komplett Smartphone-basiertes Girokonto ­anbietet, hat als Partner Wirecard mit ins Boot ­geholt. Die Aschheimer steuern die komplette technische Infrastruktur für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs bei - und bislang auch die Banklizenz. Vor einigen Tagen hat Number26 eine eigene Banklizenz erhalten. 
Ebenso hat sich O2 einen Partner gesucht: Der Telekommunikationsanbieter greift für sein neues Angebot "O2 Banking“ auf die Technologie und die Bank­lizenz der Fidor Bank zurück. Im Oktober soll das ebenfalls ausschließlich per Smartphone zugängliche Girokonto starten. Die Fidor Bank ist Teil der französischen Bankengruppe BPCE.

Bankzugang durch API-Banking

Neben den White-Label-Banken haben sich in jüngerer Zeit diverse Unternehmen dem API-Banking verschrieben. Unter API-Banking versteht man Banking-Anwendungen, die über eine API, also eine standardisierte Schnittstelle, auf die für den Service nötigen Daten der Finanzdienstleister zugreifen. Ziel ist die einfache und schnelle Integration von Banking-Funktionen in die Services Dritter.
Auch hier ein Beispiel: Das Kasseler Fintech Fino Digital bietet einen automatisierten Kontowechselservice an. Dafür greift Fino - nach der Zustimmung des wechselwilligen Kunden - über eine API auf seine Kontodaten bei der alten Bank zu, analysiert die Transaktionen und ermittelt so ­regelmäßig erscheinende Zahlungsempfänger und -absender. Diese werden dann per Post oder Fax über den Kontowechsel und die neuen Kontodaten informiert.
Technischer Dienstleister hinter Fino Digital ist das Hamburger Unternehmen Figo. Es hat sich auf API-Banking spezialisiert und stellt die nötige API bereit. Die 2012 gegründete Firma kann nahezu alle Banken in Deutschland via API anbinden - rund 3.000 Stück. Dazu kommen rund 80 Prozent der Banken in Österreich. Die Expansion in die Niederlande steht schon auf der Tagesordnung. Ähnliche Produkte bieten der Bankensoftware-Hersteller Team­invest mit seinem Produkt "Fin API" und das Münchner Start-up NDGIT mit seinem Produkt "Next Banking API" an.
2. Teil: „IT-Infrastrukur durch Banking-as-a-Service“

IT-Infrastrukur durch Banking-as-a-Service

Auf der Basis solcher Banking-APIs ist die dritte Gruppe der neuen Bankdienstleister entstanden: Unternehmen, die Banking-as-a-Service oder Banking-as-a-Platform anbieten. Zu ihnen gehören Firmen wie die 2015 gegründete Solarisbank. Die Berliner Bank wurde von dem ebenfalls in der Hauptstadt ansässigen Fintech-Inkubator Finleap auf den Weg gebracht. Seit März 2016 besitzt die Solarisbank eine Vollbanklizenz.
Das Ziel solcher Banking-as-a-Service-Angebote oder -Plattformen ist es, eine Art Baukasten mit verschiedenen Lösungen und Modulen für die unterschiedlichsten Nutzungsszenarien von Finanzdaten ­bereitzustellen, sodass diese schnell und einfach in ­andere Anwendungen integriert oder für sie nutzbar gemacht werden können. Damit erhalten Firmen, die einen ­Finanzservice anbieten möchten, einen modularen Zugang zu Bankprozessen und Finanzdaten: Sie können exakt die Einzelleistung nutzen, die sie wirklich benötigen.
Ein weiterer BaaS-Anbieter ist die Sutor Bank. Die in den 1920er-Jahren gegrün­dete Privatbank hat im März dieses Jahres gemeinsam mit dem Software-Anbieter Pass Consulting ihr BaaS-Angebot gestartet. Gleich ob webbasiert oder mobile, ob Geschäftsmodelle zum Sparen und Geldanlegen, zur Zahlungsabwicklung, dem Darlehensgeschäft oder dem Verleihen von Geld zwischen zwei Privatpersonen: Die Plattform stellt die nötige IT-Infrastruktur bereit. Auch die Sutor Bank verfügt über eine Vollbanklizenz, kann also die Bafin-Anforderungen erfüllen.

Beispiele: Fashioncheque und Creditshelf

Nochmals zwei Beispiele: Das niederländische Unternehmen Fashioncheque bietet eine Mode-Gutscheinkarte, die bei rund 30.000 Händlern in vier Ländern einsetzbar ist. Damit befindet sich das auf die Karte eingezahlte Geld in einem offenen Zahlungskreislauf. Deswegen braucht Fashioncheque eine E-Geld-Lizenz. Diese liefert die Solarisbank. Gleichzeitig nutzt das Unternehmen das "Treuhand"-Modul, um die Gutscheinsummen zu verwalten.
Der Kreditmarktplatz Creditshelf bringt  wiederum kreditsuchende mittelständische Unternehmen mit Investoren zusammen. Für sein im Herbst 2015 gestartetes Angebot baut das Frankfurter Start-up auf die Sutor Bank. Sie liefert die Banklizenz und stellt mit der "Sutor Kreditplattform" die Technologie bereit.

Datenaggregation für neue Service

Ob nun White-Label-Bank, API-Banking oder BaaS - die wenigsten Anbieter passen in nur eine Schublade. Oft sind die Übergänge fließend: Der API-Banking-Anbieter Figo versteht sich auch als BaaS-Anbieter (siehe Interview rechts), BaaS-Anbieter wie die Sutor oder die Solarisbank erfüllen mit ihren Banklizenzen auch die Funktion einer White-Label-Bank. Zudem werden die Begriffe unterschiedlich eingesetzt, sowohl von den Anbietern und ihren Kunden als auch den Medien.
Letztlich eint ein Anspruch die Anbieter: die Aggregation von Daten und Prozessen, um sie für neue Services verfügbar zu machen. Bislang haben viele Fintechs nur ­eine Speziallösungen für jeweils eine bestimmte Herausforderung innerhalb der Banking-Wertschöpfungskette geliefert. Übergreifende Konzepte, die mehrere Services bündeln und dem Kunden damit das Banking an verschiedenen Stellen gleichzeitig erleichtern, sind bisher die Ausnahme.
Nicht zuletzt deswegen scheint die ­Chance, dass Start-ups einen wirklich großen Kundenkreis gewinnen, fragwürdig. Denn kaum ein Nutzer lädt sich fünf verschiedene Apps auf sein Smartphone, um damit fünf einzelne Aufgaben rund um seinen Geldverkehr zu bewältigen. Dies wird sich mit BaaS und API-Banking ändern. Und dabei spielen nicht nur die Start-ups mit - auch die traditionellen Banken sehen mittlerweile die Vorteile.  

Deutsche Bank baut auf Fintechs

Die Deutsche Bank macht es vor: Als ein Teil der im April angelaufenen Digital-­Offensive hat die Deutsche Bank ihre neue Banking-App auf dem Markt gebracht. Dafür entwickelt Figo gerade eine Multi-Bank-Aggregation, über die Deutsche-Bank-Kunden ab Herbst alle ihre Konten über die App verwalten können - egal, bei welcher Bank sie geführt werden.
Ebenso soll Zinspilot, ein Service von Deposit Solutions, eingebunden werden. Über Zinspilot können Kunden die unterschiedlichen Tages- und Festgeldangebote vieler Banken nutzen, ohne bei der jeweiligen Bank ein Konto eröffnen zu müssen. Ein zentrales Konto bei Zinspilot reicht aus. Als Partner ist hier übrigens die Sutor Bank mit im Boot.
Alle Konten auf einen Blick, die Bündelung vieler Tagesgeldangebote und das ­alles in einer App: Das schafft Mehrwert für Kunden. Und es zeigt, dass traditionelle Kreditinstitute profitieren, wenn sie - wie die Fintechs - frische Ideen entwickeln.

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