01.10.2018
Online-Marketing
1. Teil: „Agile Marktforschung für mehr Nähe zum Kunden“
Agile Marktforschung für mehr Nähe zum Kunden
Autor: Raoul Fischer
Thanakorn.P / shutterstock.com
Online-Shops suchen vermehrt nach Alternativen zu klassischen Marktforschungsansätzen. Je schneller das Feedback kommt, desto besser. Am liebsten in Echtzeit. Dafür gibt es zahlreiche Software-Lösungen.
Online-Shops leben vom direkten Feedback der Kunden: Wie sieht es mit der Nutzerfreundlichkeit aus? Passt das Produktangebot? Sind die Bezahlwege oder das Retouren-Management okay? E-Commerce-Anbieter klären solche Fragen am liebsten in Echtzeit, also sofort.
Die Methoden der klassischen Marktforschung stießen dabei schnell an ihre Grenzen – zu lange dauerte deren Auswertung. Weiter half die „agile Marktforschung“. Agil ist ein gar nicht mehr so neues Zauberwort in der digitalen Welt. Ursprünglich stammt der Ansatz aus der Software-Entwicklung: Dort hatte man verstanden, dass Prozesse eher zielführend sein können, wenn sie es erlauben, Lösungen schnell in der Praxis zu erproben und Schritt für Schritt zu verbessern. Der Gegenentwurf – ein Produkt vom Konzept bis zu Beta-Tests hinter verschlossenen Türen zu entwickeln und es erst dann auf den Markt zu bringen, wenn es perfekt ist – hatte sich weniger bewährt.
Allerdings: Ganz so einfach ist es nicht. „Es gibt sehr spitze Befragungen, die mit Echtzeit-Tools nicht das gewünschte Ergebnis bringen“, sagt Frank Zurholt, Pressesprecher bei Otto. Um etwa das Einkaufsverhalten einer Single-Frau aus dem Frankfurter Westend in seiner Tiefe zu verstehen, brauche man einen klassischen Marktforschungsansatz, eine Studie mit 40 bis 50 Fragen, die soziodemografische Angaben mit Einstellungen, Werten und Angaben zum Kaufverhalten verknüpfe.
Christian Thunig, Partner bei der Marktforschungsgesellschaft Innofact, stimmt dieser Einschätzung zu. „Es gibt immer noch die strategische Dimension, und hier dominiert die klassische Marktforschung, wobei klassisch bedeutet, dass auch und gerade Online-Forschung heute zum Backbone der Insight-Generierung zählt“, sagt er – und die sei inzwischen schneller als Face-to-Face- oder telefonische Befragungen.
Wie brauchbar sind Ergebnisse aus der klassischen Forschung, die erst nach Tagen oder Wochen vorliegen? „Aus unserer Sicht fast unbrauchbar“, sagt Robert Ermich, Gründer und Geschäftsführer der Vermittlungsplattform Deinhandy.de. Dynamische Start-ups bräuchten – je nach Modell und Markt – ein repräsentatives Online-Panel, das gewissermaßen in Echtzeit Ergebnisse liefere. „Unter den Bedingungen der Digitalisierung nimmt die grundlegende Veränderung der Marketingprozesse stetig an Geschwindigkeit zu“, bestätigt Matthias Breitschaft, Geschäftsführer bei Vorn Strategy Consulting. Das gelte für Branchen mit hoher Kauf- oder Innovationsfrequenz, etwa Consumer Electronics, Medien, Telekommunikation und Tourismus. „Häufig bleibt einfach nicht mehr die Zeit wie in der klassischen Marktforschung, umfangreiche Berichte mit Hunderten von Excel-Sheets durchzugehen“, so Breitschaft. Diese enorme zeitliche Verzögerung ist aus Sicht mancher E-Commerce-Anbieter nicht das einzige Problem der klassischen Marktforschung. Häufig geht es auch um die Darstellungsformen – gewünscht sind interaktive Charts statt Excel-Tabellen.
Umgekehrt gibt es auch Kritik an agilen Ansätzen: „Die Ergebnisse aus der klassischen Marktforschung sind ja weiterhin valide und sollten auch genutzt werden“, sagt David Tabellion, Senior Manager bei der Agentur Dayone. Auch bei schnellen Online-Panels sei es wichtig, dass sie mit der gleichen statistischen Sorgfalt durchgeführt würden wie klassische Umfragen. „Es gibt nichts Schlimmeres, als Marketingmaßnahmen aufgrund von falschen Erhebungen umzustellen oder anzupassen“, so Tabellion weiter.
2. Teil: „Fragen für die Forschung“
Fragen für die Forschung
Der Einsatz von Echtzeitdaten ist also nicht unproblematisch. „Mit Echtzeit muss man umgehen können“, warnt Innofact-Partner Thunig. Denn häufig fallen so viele Daten an, dass es manche Unternehmen überfordert, daraus nutzbare Insights zu generieren. „Wir bewegen uns im Moment in einem Übergang. Die echten, schnellen Daten sind verlockend und bieten immer wieder Gesprächsstoff“, erklärt Thunig, „aber häufig fehlen die sinnvollen Fragen, die man braucht, um Muster erkennen und vernünftige Cluster bilden zu können.“
Agile Marktforschung hat darüber hinaus den großen Vorteil, innerhalb kurzer Zeit neue Blickwinkel zu liefern, was ein durchaus gewünschtes Ziel ist: „Das ist für uns als Strategieberatung eine echte Arbeitserleichterung“, sagt Matthias Breitschaft. „Die digitalen Tools helfen zum einen zu entdecken, zum anderen helfen sie, den Prozess der Datenerhebung so unkompliziert wie möglich zu machen.“
Der Trend geht also zur schnellen Online-Befragung. „Online-Shops gehen stärker in die komplette Technologisierung ihres Marketings – und damit auch der Marktforschung. Geschwindigkeit und Flexibilität zählen“, sagt Gregor Wolf, Vice President des Beratungsunternehmens Smart Digital. Der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg liege vor allem darin, die Daten, die Kunden und Interessenten generieren, umfassend zu erheben und zu verarbeiten und so ein übergreifendes Verständnis vom Nutzer zu erhalten. Damit können die Shops zum Beispiel Marketingentscheidungen wie etwa Produktvarianten oder Verpackungdesigns testen und das entsprechende Angebot wesentlicher agiler gestalten. Es können aber auch Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Voucher und Gutscheine schnell kreiert und eingesetzt werden.
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